Lichthaus Kaltgestellt
Besprechung, da werde ich Sie vorstellen. Um elf Uhr befrage ich den Freund eines vermissten Mädchens. Sie können mich begleiten.«
»Gern.«
Sie unterhielten sich noch kurz über die obligatorische Prozedur, die Beschaffung von Dienstausweis und Dienstwaffe, dann gingen sie in den Besprechungsraum.
*
Die morgendliche Sitzung verlief ohne Komplikationen. Er stellte Sophie Erdmann den Kollegen vor, die sie überrascht, aber freundlich begrüßten. Neue Ergebnisse im Fall Eva Schneider lagen nicht vor.
Sophie Erdmann bezog vorübergehend einen Schreibtisch in Scherers Büro, und als Lichthaus gegen elf eintrat, hatte sie sich bereits eingerichtet. Scherer hatte sich zwischenzeitlich mit den entsprechenden Akten aus der Vermisstenabteilung versorgt. Er saß vor einem hohen Stapel und schaute ihn nachdenklich an.
»Ich habe mir im Computer einen ersten Überblick verschafft, muss aber noch die Details in den Akten prüfen. In den vergangenen fünf Jahren wurden in Trier außer Eva Schneider drei Mädchen als vermisst gemeldet, die in ein ähnliches Raster passen. Eine tauchte nach vier Tagen wieder auf, von den beiden anderen fehlt weiterhin jede Spur. Ich habe anschließend den Zeitraum verlängert und den Ermittlungsradius auf den ganzen Regierungsbezirk und die Nachbarbezirke ausgedehnt und komme so auf fünf ungeklärte Fälle in vier Jahren. Ich will jetzt nicht dramatisieren, aber die Region liegt hier deutlich über dem Bundesschnitt.«
»Worauf möchtest du hinaus?«
Scherer hob abwehrend die Hände. »Noch auf gar nichts. Das sind nur erste Fakten. Heute Mittag bekommst du einen Bericht.«
Lichthaus nickte, dann brach er mit Sophie Erdmann zu Evas Freund auf. Er setzte sich ans Steuer.
»Wissen Sie schon, wo Sie wohnen werden?«, begann er lahm.
»Nein, ich bin momentan im Schwesternwohnheim des Mutterhauses untergekommen.« Sie grinste ihn an. »Hat eine alte Freundin organisiert. Ich suche was in der Stadt. Wenn ich schon in diesem Kaff lebe, dann bitteschön nahe am Zentrum.«
Lichthaus schaute sie kurz von der Seite an. Sophie Erdmann war ihm sympathisch. Ohne Schnörkel und offen heraus. »Das Kaff ist gar nicht so schlecht. Ich bin auch von Mainz hergekommen und habe es keinen Tag bereut.«
»Das hat im LKA niemand verstanden.«
»Wie bitte?«
»Entschuldigen Sie«, sie schien verlegen zu sein. »Ich habe die Kollegen natürlich nach Ihnen gefragt, als ich erfuhr, dass ich hierher komme.«
»Und, was haben die gesagt?« Lichthaus war neugierig, denn sein Weggang hatte damals viele Fragen aufgeworfen, die er seinen ehemaligen Kollegen nicht beantwortet hatte.
»Die halten Sie überwiegend für einen sehr guten Polizisten. Aber keiner konnte nachvollziehen, warum Sie sich gerade in dem Augenblick hierher beworben haben, als Sie doch mehr oder weniger klar für den Posten des Kriminaldirektors im LKA vorgesehen waren.«
»Das hatte ganz persönliche Gründe«, wich er aus. »Nur so viel: Neben dem Job gibt es Dinge, die mir wichtiger sind. Man muss irgendwann Prioritäten setzen. Ich wollte nicht der Karrierebulle mit gescheiterter Ehe werden.« Sie erreichten ihr Ziel, und er war froh, angekommen zu sein und das Thema beenden zu können.
Das Haus war ein alter Bau, den der Besitzer mit einer ungemein hässlichen Rauchglastür verschandelt hatte. Lichthaus drückte den Klingelknopf, und schon nach wenigen Sekunden meldete sich eine angenehme Stimme. Nachdem sie sich vorgestellt hatten, wurde die Tür geöffnet, und sie betraten einen schmalen Hausgang mit ausgetretener Holztreppe. Oliver Heitmann wohnte im vierten Stock und sah ihnen vom Treppenabsatz entgegen, als sie schwitzend oben ankamen.
»Studenten wohnen immer unterm Dach oder unter der Erde«, kommentierte er schwach lächelnd und reichte ihnen die Hand.
»Letzteres wäre mir bedeutend lieber gewesen«, antwortete Lichthaus.
Heitmann war ein großer, schlanker Mann in Jeans und T-Shirt. Ob Männer hübsch oder anziehend wirkten, konnte er nur schwer beurteilen, doch der sportliche Junge mit seinen hellbraunen Haaren, dem gut geschnittenen Gesicht und dem offenen Blick war sicherlich heiß umworben.
Sie betraten die winzige Wohnung. Rechts neben dem Eingang lag eine Küche mit Kochzeile, einem Tisch und einer Tür, die auf einen Balkon hinausführte. Heitmann lotste sie hier hinein, doch Lichthaus warf im Vorbeigehen einen kurzen Blick in das zweite Zimmer. Neben einem ordentlich gemachten Futonbett standen ein Schrank und
Weitere Kostenlose Bücher