Lichthaus Kaltgestellt
ihre Rache.«
»Es ging ja auch gut. Jahrelang. Ich habe Abi gemacht, bin zur Polizei und hatte auch eine Freundin. Doch das klappte nicht lange. Auf einem Lehrgang bin ich Mutter wieder begegnet. Die Frau war natürlich jünger, doch sie hatte ihre Augen, die einen durchbohrten. Ekel lag darin. Ich musste sie immerzu anschauen, doch herrisch zwangen sie mich zum Wegschauen. Ich verkroch mich vor ihr, floh in mein Zimmer. Ich habe die Nacht nicht geschlafen, bis mir klar wurde, dass ich meinen Gral gefunden hatte. Die göttliche Ordnung sieht vor, dass das Weib dem Mann Untertan sei. Meine Aufgabe war es, die Frauen zu bestrafen, die gegen dieses Gesetz verstoßen. Ich musste ihnen zeigen, dass sie nicht Männer und Kinder gängeln können. Sie sollten wissen, wer Herr und wer Weib ist. Zuerst habe ich ihnen nur eine Lektion erteilt. Aber das schien mir nicht genug. Ich habe damit aufgehört. Das Schicksal ließ mich dann auf ein besonders perfides Weib in Luxemburg stoßen. Das habe ich erst bestraft und dann ausgelöscht. Ihr folgten noch einige andere.« Schweiger richtete sich abrupt auf und schaute abwesend herum. »Noch heute Abend werde ich einen neuen Schritt tun. Ich muss Sie daher nun verlassen.«
Er packte Lichthaus und drehte ihn rüde auf den Bauch. Lichthaus spannte die Hände, damit nicht auffiel, wie weit sich der Knoten schon gelöst hatte, und startete einen letzten Versuch.
»Was ist mit Scherer?«
»Der kam mir gerade recht. Jedermanns Liebling. Die Frauen küssten dem die Füße. Er war mir im Weg. Also musste er weg, dieser armselige Wicht.« Offensichtlich war es nun vorbei, Schweiger wollte nicht mehr reden. Er öffnete den Wasserhahn ein wenig und zog eine Digitalkamera aus der Tasche hervor, die er auf das Fensterbrett stellte.
»Das schaue ich mir heute Abend an. Seien Sie froh. Ursprünglich wollte ich Ihre Tochter töten, vielleicht auch Ihre Frau, damit Sie mich in Ruhe lassen. Sie opfern sich also für einen guten Zweck.«
Lachend ging Schweiger hinaus.
»Du mieses Schwein«, brüllte Lichthaus ihm hinterher, doch dann konzentrierte er sich und beobachtete, wie das Wasser auf dem Boden des Beckens zusammenlief. Es war so kalt, als ob es aus einem Brunnen gepumpt wurde. Relativ schnell wurde sein Körper umspült. Es würde nicht allzu lange dauern. Zehn Minuten vielleicht. Mehr nicht. Selbst wenn er den Kopf noch so sehr nach oben reckte. Irgendwann würde er ertrinken.
Wie besessen knotete er mit klammen Fingern und würgte sich mehrfach bis fast zur Besinnungslosigkeit, während das Wasser unbarmherzig stieg. Er schaute nicht zur Kamera hinüber, zeigte nicht die Angst, die sich in ihm so ausbreitete wie die Kälte des Wassers. Die Schnüre wurden nass und glitschig. Immer wieder rutschten sie ihm weg, und es bereitete größte Mühe, sie wieder zu greifen. Den dritten Knoten hatte er nun auch geschafft, doch es blieben noch zwei weitere.
Er arbeitete fieberhaft, doch als er den vierten Knoten gelockert hatte, stand ihm das Wasser bis unter das Kinn. Es war vorbei mit seiner Beherrschung, ihm kamen die Tränen, denn er würde es nicht schaffen. Er dachte an Claudia und Henriette. Nie würde er seine Tochter laufen sehen. Nie mehr ihre kleinen Quietscher oder Claudias warme Stimme hören, ihren zarten Körper anfassen. Er hatte sie im Stich gelassen und sein Versprechen gebrochen. War aus purem Eigensinn seiner eigenen Spur gefolgt, ohne auf die anderen zu warten, und saß jetzt in der Falle. In wenigen Augenblicken würde er ersoffen wie eine räudige Ratte in der Brühe treiben. Schweiger würde ihm die Fesseln abnehmen und ihn zur Talsperre fahren. Er würde es so einrichten, dass er lange im Wasser blieb, die Fische würden an ihm nagen, die Spuren an Hand- und Fußgelenken würden nicht mehr zu sehen sein. Sie würden an den Selbstmord glauben, ja glauben wollen, um sich zu beruhigen. Er hatte verloren. Das war es, ging ihm durch den Kopf. Das Wasser erreichte seine Lippen. Er verfluchte laut Schweiger, sog ein letztes Mal tief Luft in seine Lungen und tauchte unter. Hinein in die Kälte, die den Tod bedeutete.
*
Simone Simons und Dennis betraten das Polizeipräsidium und fragten sich so lange nach der Mordkommission durch, bis sie an Marie Guillaumes Tür klopften und sofort eintraten. Sophie Erdmann holte gerade Post aus ihrem Fach, als die beiden vor ihr standen.
»Frau Guillaume?«
»Nein, die Kollegin ist zur Vorbereitung einer Pressekonferenz unterwegs.« Sie
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