Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
als mit seinen Augen und Ohren. Sie hatte geglaubt, dass er gar nicht erschrocken aussehen könnte, aber dieser Ausdruck kam dem Erschrockensein so nahe, wie sie es noch nie an ihm bemerkt hatte. Vorsichtig, aufgeschreckt, alarmiert ... was war los mit ihm? War an der Yacht etwas Ungewöhnliches? Dann wandte er sich um und ging schnell ins Haus zurück, und Jane kletterte nachdenklich aus dem Auto und folgte den Jungen den Hang hinunter.
     
    Der Hafen lag fast verlassen da. Die Sonne schien ihnen heiß ins Gesicht, und sie spürten durch die Sohlen ihrer Sandalen hindurch die Wärme der Steine, mit denen der Kai gepflastert war. In der Mitte des Kais, genau vor dem hohen Holztor des Lagerhauses, bildete dieser einen viereckigen Vorsprung, der ins Wasser hineinragte. Leere Kisten waren dort zu einem übermannshohen Haufen aufgestapelt. Drei Möwen gingen ihnen aus dem Weg, schritten lässig auf den Rand des Wassers zu. Vor ihnen wiegte sich ein kleiner Wald aus Masten und Seilen; die Flut hatte erst ihre halbe Höhe erreicht und die Decks der dort liegenden Boote lagen unterhalb der Kaimauer und waren nicht zu sehen.
    »He«, sagte Simon und wies über die Hafeneinfahrt hinaus. »Die Yacht ist hereingekommen. Seht mal, ist sie nicht herrlich?« Das schlanke weiße Boot lag jenseits der Hafenmauer vor Anker, vor der offenen See durch die Landzunge geschützt, auf der das
Graue Haus
stand.
    Jane sagte: »Findet ihr nicht, dass sie etwas Seltsames an sich hat?«
    »Seltsam? Warum?«
    »Oh — ich weiß nicht.«
    »Vielleicht gehört sie dem Hafenmeister«, sagte Barney.
    »Orte von dieser Größe haben keinen Hafenmeister, du kleiner Dummkopf, nur Häfen wie die, in denen Vater während seiner Marinezeit war.«
    »Oh doch, du Schlaumeier, an der Ecke da drüben ist eine kleine schwarze Tür, und darauf steht: ›Büro des Hafenmeisters‹.« Barney hüpfte triumphierend auf und ab und scheuchte dabei eine Möwe auf. Sie lief ein paar Schritte und flog dann mit schlagenden Flügeln und klagenden Schreien dicht über dem Wasser davon.
    »Na gut«, sagte Simon versöhnlich, schob die Hände in die Hosentaschen, stand da mit gespreizten Beinen und wippte auf den Fersen in seiner Kapitän-auf-der-Brücke-Haltung auf und ab. »Ein Punkt für dich. Aber das Boot muss doch jemandem gehören, der ziemlich reich ist. Man könnte damit den Kanal überqueren, vielleicht sogar den Atlantik.«
    »Puh«, sagte Jane. Sie schwamm so gut wie die andern, aber sie war das einzige Mitglied der Familie Drew, das die offene See nicht mochte. »Das muss man sich vorstellen — den Atlantik in einem so kleinen Ding zu überqueren.«
    Simon grinste boshaft. »Fantastisch. Große Wellen heben dich hoch und lassen dich wieder runtersausen, alles fällt durcheinander, fliegt in der Kombüse herum, und das Deck geht rauf und runter, rauf und unter.«
    »Ihr wird gleich schlecht«, sagte Barney ruhig.
    »Unsinn. Auf festem Land, hier draußen in der Sonne?«
    »Ja, du bringst es noch so weit, sie sieht schon ein bisschen grün aus. Sieh doch.«
    »Ich sehe nichts.«
    »Oh doch. Ich weiß nicht, warum dir nicht wie sonst im Zug schlecht geworden ist. Stell dir nur diese Wellen auf dem Atlantik vor und der Mast schwankt hin und her und niemand hat Appetit aufs Frühstück außer mir ...«
    »Oh, halt den Mund. Ich höre dir gar nicht zu.« Die arme Jane wandte sich ab und lief um den Berg von Kisten herum, von deren Fischgeruch ihr wahrscheinlich eher übel geworden war als von dem Gedanken an die offene See.
    »Mädchen!«, sagte Simon befriedigt.
    Von der anderen Seite des Kistenstapels kam plötzlich ein ohrenbetäubender Krach, ein Schrei und das Geräusch von Metall, das klirrend auf Beton stößt. Simon und Barney sahen sich einen Augenblick lang entsetzt an, dann liefen sie um den Stapel herum.
    Jane lag auf dem Boden, ein Fahrrad lag auf ihr, das Vorderrad drehte sich noch in der Luft. Daneben lag auf dem Pflaster des Kais ein dunkelhaariger Junge und streckte alle viere von sich. Ein Karton mit Konservendosen und Lebensmittelpackungen war vom Gepäckträger des Rades heruntergefallen, die Milch aus einer zersplitterten Flasche bildete eine weiße Pfütze, in der die Scherben im Sonnenlicht glitzerten. Der Junge rappelte sich auf und starrte Jane an. Er war ganz in Marineblau, die Hose steckte in Gummistiefeln. Er hatte einen kurzen, dicken Hals und ein seltsam flaches Gesicht, das jetzt vor Wut verzerrt war.
    »Kannste nicht aufpassen, wo du

Weitere Kostenlose Bücher