Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
I. Kapitel
Wir parkten den Wagen vor dem Bezirksgefängnis und lauschten dem Regen, der auf unser Dach trommelte. Der Himmel war schwarz, und die hohe Luftfeuchtigkeit hatte die Wagenfenster beschlagen lassen. Blitze pulsierten wie weiße Adern in den Gewitterwolken am Himmel über dem Golf.
»Tante Lemon wartet sicher schon auf dich«, sagte Lester Benoit, der Fahrer. Er war, genau wie ich, ein Kriminalbeamter im Dienste des örtlichen Sheriffs. Er trug lange Koteletten und einen Schnauzbart und ließ sich regelmäßig in Lafayette eine modische Lockenfrisur machen. Um das ganze Jahr über gleichmäßige Sonnenbräune zur Schau tragen zu können, machte er jeden Winter Urlaub in Miami Beach, wo er sich mit neuen Kleidungsstücken eindeckte. Obwohl er, abgesehen von seiner Zeit beim Militär, sein ganzes Leben in New Iberia verbracht hatte, sah er immer aus wie ein Neuankömmling, der hier eben aus dem Flugzeug gestiegen war.
»Du bist nicht besonders scharf drauf, ihr über den Weg zu laufen, stimmt’s?« sagte er mit einem Grinsen.
»Nein.«
»Wir können den Seiteneingang nehmen und sie mit dem Lastenaufzug runterbringen. Da merkt sie nicht mal, daß wir da waren.«
»Es ist schon okay«, sagte ich.
»Hey, mein Problem ist es nicht. Wenn dir bei der Sache nicht wohl zumute ist, hättest du nur verlangen müssen, daß sie es eben einen anderen machen lassen. Warum stellst du dich überhaupt so an?«
»Ich stelle mich nicht an.«
»Dann sag ihr, daß sie sich zum Teufel scheren soll. Ist doch bloß ’n altes Niggerweib.«
»Sie sagt, Tee Beau hat es nicht getan. Sie sagt, er war am Abend des Mordes bei ihr und hat Krebse geschält.«
»Ach komm, Dave. Meinst du etwa, sie würde nicht lügen, um ihren Enkel zu retten?«
»Vielleicht.«
»Du bist gut, vielleicht.« Er wandte sich ab und blickte in Richtung des Parks am Bayou Teche. »Schöne Scheiße, das mit dem Regen beim Feuerwerk. Meine Ex war mit den Kindern da. Es ist jedes Jahr dasselbe. Ich muß hier weg.« Durch die regenverschmierte Scheibe fiel das Licht einer Straßenlaterne und ließ sein Gesicht fahl erscheinen. Das Fenster auf seiner Seite war einen Spalt geöffnet, damit der Zigarettenrauch abziehen konnte.
»Bringen wir’s hinter uns«, sagte ich.
»Nicht so schnell. Ich hab keine Lust, die ganze Strecke in nassen Klamotten zu fahren.«
»Das hört nicht auf zu regnen.«
»Jetzt laß mich mal meine Zigarette zu Ende rauchen, und dann sehen wir weiter. Ich werd nicht gerne naß. Hey, mal ganz ehrlich, Dave, macht es dir so zu schaffen, daß du Tee Beau da abliefern mußt, oder geht’s in Wirklichkeit um was ganz anderes?« Das Licht der Laterne warf Schatten auf sein Gesicht, die sich wie kleine Sturzbäche kräuselten.
»Bist du schon mal dabeigewesen?« fragte ich.
»Bis jetzt war’s noch nie nötig.«
»Und würdest du es tun?«
»So wie ich es sehe, weiß der Typ, der auf den Stuhl kommt, was ihn erwartet.«
»Würdest du hingehen?«
»Yeah, das würde ich.« Er drehte den Kopf und sah mir scharf ins Gesicht.
»Das kann sich als ’ne ziemlich kostspielige Erfahrung herausstellen.«
»Aber alle wußten sie, was sie erwartet. Stimmt’s, oder hab ich recht? Wenn du in Louisiana einen umlegst, bekommst du eine richtige Elektroschock-Therapie verpaßt.«
»Dann sag mir mal den Namen von einem reichen Mann, den sie in diesem Staat gegrillt haben. Oder in irgendeinem anderen Staat, was das betrifft.«
»Tut mir leid. Diesen Typen weine ich keine Träne nach. Oder meinst du etwa, sie hätten Jimmie Lee Boggs mit Lebenslänglich davonkommen lassen sollen? Willst du, daß er in zehneinhalb Jahren wieder frei hier rumläuft?«
»Nein, das will ich nicht.«
»Das hab ich auch nicht angenommen. Und ich sag dir noch was. Wenn dieser Typ bei mir irgendwas versucht, verpaß ich ihm eine direkt ins Maul. Und dann geh ich zu seiner Mutter und beschreib es ihr auf ihrem Totenbett bis ins kleinste Detail. Wie gefällt dir das?«
»Ich geh jetzt rein. Willst du mit?«
»Sie wartet sicher schon«, sagte er, wieder mit einem Grinsen.
Das tat sie. Ihr gemustertes Baumwollkleid, sonnengebleicht und vom vielen Waschen ohne jede Farbe, war triefend naß und wie nasses Kleenex an ihren knochigen Körper geklatscht. Ihr Mulattenhaar sah aus wie ein graugoldenes Drahtknäuel, und ihre hellgelbe Haut wirkte, als sei sie mit braunen Zehncentstücken gemustert. Sie saß allein auf einer Holzbank vor einer Arrestzelle, gleich neben dem
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