Liebe

denn damit wird Ihre Liebe nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft gedemütigt. Und je größeres Glück sie von dem Kontakt zur Zukunft erlangen, desto stärker ist die Versuchung, sich in Abhängigkeit von ihr zu bringen, mit der Seele in ihr aufzugehen. Um die Seele zu retten, wird die Zukunft zerstört, denn sie ist nicht Ziel, sondern Mittel.
    Zuerst scheitern Pläne, dann kommt es zu Schicksalsschlägen, einzelnen Misserfolgen, Demütigungen, Krankheiten usw. Wenn wir fähig sind, das Scheitern von Plänen, Idealen und Träumen als gottgegeben hinzunehmen, bleiben uns glückliches Schicksal, Vollkommenheit, Intellekt usw. erhalten. Eine Heilung erfolgt immer durch Demütigung, Schicksalsschläge und Scheitern aller Pläne. Das geschah in Ihrem Fall.“

    Für Russland ist deshalb auch die Fähigkeit, seine Vergangenheit nicht zu verachten, vor der Zukunft nicht in Panik zu geraten, sein Schicksal nicht zu beklagen, das Unvollkommene in allen seinen Erscheinungsformen nicht zu verachten, d. h. eine Erziehung zu Ethik und Liebe zur Umwelt ohne Vorbehalt, d. h. die Liebe zu Gott, die Grundbedingung, ohne die politische und wirtschaftliche Reformen nicht gelingen werden. Jeder von uns erschließt sich mit seinem Bewusstsein und seinen Gefühlen die Umwelt. Logische und emotionale Modelle, die dabei geschaffen werden, bestimmen den Charakter, das Schicksal und die Gesundheit eines jeden von uns. Die Saat einer richtigen emotionalen Wahrnehmung der Welt, die in unserer Seele heranwächst, harmonisiert uns und verbessert unsere Überlebens- und Entwicklungsmöglichkeiten.
    Logik — das sind die Blätter, Liebe — das sind die Wurzeln. Jedes Mal, wenn ich mir neue Etappen der Erkenntnis erschloss, sah ich ebensolche Stufen in der Kunst und begriff, dass jeder große Künstler intuitiv dieselben Stufen wie ich emporgestiegen war. Ich kam erneut auf das Theater zurück und versuchte, an diese Kunst auf neue Weise heranzugehen. Zu der Zeit lief bei mir alles auf drei Wertesysteme hinaus. Das erste umfasst schöpferisches Schaffen und Geburt alles Existierenden. Das zweite — Leitung, Macht und Vervollkommnung. Das dritte bezeichnete ich als „Rückkehr zu Gott“, denn alles, was existiert, kommt von Gott, entwickelt sich und kehrt zu ihm zurück. Ungefähr einen Monat lang versuchte ich, eine weitere Definition für diesen Begriff, der die Rückkehr zu Gott bezeichnet, zu finden. Dann tauchte sie von selbst auf. Es war „Zukunft“. Wie paradox: Gott ist der höchste Wert, und die Rückkehr zu ihm ist der höchste menschliche Wert. Der Mensch, der einen erhöhten Kontakt zur Zukunft hat, macht einen gewaltigen Sprung in der Entwicklung, doch wenn er die Zukunft verabsolutiert, sie für das Glück hält, dann erhält er die höchste Strafe — es verschwindet der Wunsch, Kinder zu haben, kreativ tätig zu sein und etwas zu schaffen. Es schwindet das Verlangen, sich zu vervollkommnen. Das bedeutet, dass man sich richtig zur Zukunft verhalten muss, um vollkommen zu sein und kreative Fähigkeiten zu haben. In erster Linie ist dies die Erkenntnis, dass wir Gott umso näher sind, je weiter wir in die Zukunft schreiten, jedoch nur auf äußerlicher, menschlicher Ebene. Innerlich tragen wir Gott immer in uns. Deshalb muss die wichtigste Orientierung nicht auf die Zukunft, sondern auf Gott in uns sein, d. h. auf grenzenlose Liebe ohne Ansprüche.
    Wenn man das zugrunde legt, so reift ein großer Schauspieler im Verlaufe einiger Leben heran. Zuerst war er ein Heiliger, Prophet, Hellseher. Die innere Liebe zu Gott war ihm wichtiger als die Zukunft, deshalb konnte ihm der Zutritt zur Zukunft gewährt werden. Seine kreativen Möglichkeiten, seine Vollkommenheit nahmen stark zu. Deshalb sagte Christus: „Denkt nicht an den morgigen Tag, lebt wie die Vögel.“ Doch als die Zeit herankam, die in einem oder zwei Leben erworbenen Fähigkeiten zu verwirklichen, wurden Zukunft und Schicksal dieses Menschen zerstört, und das geschah planmäßig. Und das dauerte so lange an, wie das Verlangen bestand, sich auf kreatives Schaffen und Vollkommenheit zu orientieren. Wenn der Mensch sich die Liebe zu Gott bewahrt und das Gefühl der Liebe in sich nicht zertreten hatte, dann durchlief er diese Schule nicht in dreißig bis fünfzig Leben, sondern in ein oder zwei. Und dann eröffnete sich ihm im vierten oder fünften ein gewaltiges kreatives Potential. Er verwirklichte es, ohne sich daran zu binden. Solange die Liebe zu Gott