Liebe

und Zufriedenheit. Doch plötzlich fiel das Pferd zurück, zuerst an die zweite, dann an die dritte Stelle. Ich begriff, dass meine Diagnostik für die Vergangenheit gegolten hatte, in Bezug auf die Zukunft jedoch nichts wert war. Und genau in diesem Augenblick setzte die Vier zum Überholen an. Direkt vor der Ziellinie übernahm das Pferd wieder die Führung und siegte mit drei Längen Vorsprung.
    „Nun, setzt du 80 $ auf die Acht?“, wollte mein Bekannter wissen. „Natürlich“, antwortete ich.
    Nachdem wir gesetzt hatten, blieben noch 10 bis 15 Minuten bis zum nächsten Rennen. Wir gingen in die Bar gegenüber, aßen Mittag und kehrten dann zurück. Als wir zurückkamen, hatte das siebente Rennen bereits begonnen. Das Pferd mit der Nummer 8 war an vierter Stelle. Doch ich war überzeugt, dass es gewinnen würde, und es wurde Sieger.
    „800 $ auf einmal, das ist nicht schlecht“, bemerkte mein Begleiter.
    Ich erhielt 880 $ ausgehändigt.
    „Was ist denn nun mit deiner analytischen Prognose?“, fragte ich spöttisch.
    „Bei den heutigen Rennen war der Boden schwer, das wusste ich vorher nicht. Hier verhalten sich die Pferde vollkommen anders. Übrigens, wenn du auf die Sieger in zwei Rennen hintereinander gesetzt hättest, könntest du jetzt 32 000 $ haben.“
    „Denken wir über diese Frage morgen noch mal nach“, antwortete ich.
    Im Prinzip war ich zufrieden. In allen Varianten arbeitete mein neu entdecktes Thema Vollkommenheit einwandfrei. Das hieß, auch bei der Heilung von Kranken könnte mir das sehr helfen. Am Abend stimmte ich mich auf den nächsten Tag ein. „Ich gewinne 50 000 $, das reicht fürs Erste“, beschloss ich. Doch eine Stunde später hatte ich seltsame Empfindungen. Eine beharrliche Depression setzte ein. Das Leben verlor irgendwie seinen Sinn. Ich spürte akut, dass derartiger Gelderwerb nicht sein durfte. Meine Forschungen und die Heilung Kranker — das ist eine schwere, gefährliche und mühevolle Arbeit. Wenn ich viel Geld erwerben würde, dann würde ich zwar meine Forschungen nicht einstellen, aber wohl kaum zu Überbelastung und großem Risiko bereit sein, was unverzichtbar wäre, um weiter voranzukommen. Ich begriff, dass man mir am nächsten Tag die Zukunft versperren würde, damit ich nicht viel Geld gewinnen konnte. Doch die Zukunft wurde mir nicht verschlossen. Am nächsten Tag sah ich, welches Pferd gewinnen würde. Doch ich gewann kein Geld. Bevor ich hinging und meinen Einsatz machte, prognostizierte ich das Rennen, doch Sieger wurde ein vollkommen anderes Pferd. Beim fünften oder siebenten Mal stellte mein Gesprächspartner erstaunt fest:
    „Weiß du, ich habe auf dem Bildschirm verfolgt, wie das Rennen verläuft. Von den zehn bis zwölf Pferden nennst du exakt das Pferd, das in einem gewissen Abschnitt der Rennstrecke in Führung liegt. Das heißt, du siehst wirklich das führende Pferd, jedoch nicht im Finish, sondern zuvor. Bei dir kommt es irgendwie zu einer Zeitverschiebung.“
    Meine weiteren gewonnenen Informationen gestalteten sich ebenso. Nachdem ich noch einige Zeit experimentiert hatte, beruhigte ich mich. Mir wurde klar, dass ich auf diese Weise kein Geld mehr gewinnen würde. Doch die Hauptsache für mich war hierbei: Ich hatte ein neues Thema erschlossen und auf diesem Gebiet erfolgreiche Versuche unternommen.

    Als man einen blinden Mann in mein Sprechzimmer führte, konnte ich schon die inneren Ursachen seiner Krankheit sehen.
    „Ich bin erblindet, als ich an posttuberkulöser Meningitis erkrankte“, erzählte der Patient.
    Früher hätte ich festgestellt, dass bei ihm eine Orientierung auf Fähigkeiten und stabiles Schicksal vorliegt. Jetzt sah ich dahinter noch den Wunsch, Vollkommenheit zum Ziel und Sinn des Lebens zu machen. Das führte bei ihm zu gesteigerten Ansprüchen und Vorwürfen gegenüber der Umwelt. Demzufolge trat die Tuberkulose auf. Die Tuberkulose hatte das Gekränktsein, das in ein Selbstvernichtungsprogramm überging, nicht endgültig blockiert. Die zweite Blockierung setzte ein — Meningitis. Doch auch dadurch wurde das Selbstvernichtungsprogramm nicht vollständig gestoppt. Dann kam es zu Schwierigkeiten, die den Verlust des Sehvermögens hervorriefen.
    „Ihre Selbstsucht ist sehr stark“, sagte ich diesem Mann. „Der kleinste Misserfolg, die geringste Unannehmlichkeit haben bei Ihnen Unzufriedenheit mit sich und der Umwelt hervorgerufen. Das geschah, weil das Streben nach Vollkommenheit für Sie zum absoluten Wert