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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Fächerbesen an einen Baum.
    »Wo ist Njuscha?« fragte Bodmar, als er auf der Erde stand. »Wo ist sie?«
    »Ist sie fort?« fragte Borja gedehnt.
    Mit einem Sprung war Bodmar bei ihm und umfaßte Borjas Hals. Er drückte die Finger gegen seine Kehle, als wolle er ihn erwürgen. Vor seinen Augen verschwamm die Umwelt in einem sich drehenden rostroten Nebel.
    »Wo ist Njuscha?« schrie er. »Du weißt, daß sie fort ist. Du hast sie gehen sehen. Du siehst alles. Wo ist sie hin? Borja, Borjuschka – ich bringe dich um … sag ein Wort!«
    »Und wenn du mich erdrückst wie eine Taube … ich weiß es nicht …«, keuchte Borja. Die Augen fielen ihm fast aus den Höhlen. »An mir vorbei ist sie gelaufen, vor einer Stunde, und gab keine Antwort.«
    »Und du hast mich nicht geweckt, du Hund?«
    »Nein. War das nötig? Njuscha hat gestern alles mitgehört … alles …«
    »Borja!« Die roten Nebel vor Bodmars Augen teilten sich, und dahinter erschien die Welt, grauweiß wie ein Heer von aufrechtstehenden Leichen. »Sag nicht, daß sie für immer fort ist. Sag es nicht … ich drücke zu … ich … ich drücke zu … Sie ist nicht fort für immer –«
    Er starrte Borja in die vorquellenden Augen, gab seine Kehle frei und wartete auf die Antwort. Und Borja sagte, mit dem Pfeifen des ersten tiefen Atemzuges:
    »Ja, sie ist fort … fort für immer. Du wirst Njuscha nie wiedersehen –«

A CHTUNDDREISSIGSTES K APITEL
    Man darf einem Menschen, dem die Verzweiflung das Gehirn wegbrennt, verzeihen, wenn er Sinnloses tut, was mit der Elle der Vernunft nicht mehr zu messen ist. Auch Bodmar war darin keine Ausnahme. Borja entwischte seinen groben Händen und flüchtete vor dem Rasenden hinter eine Baumgruppe, von wo er ihn beobachtete, wie man ein Raubtier mustert, das in blinder Wut gegen die Gitter seines Käfigs springt, sich in die Eisenstäbe verbeißt und mit den Krallen den Boden aufreißt.
    Bei Bodmar dauerte die Zerstörungswut nur Sekunden, aber Borja kamen sie unendlich vor. Bodmar hatte den Spaten ergriffen und köpfte mit ihm die Blumen der Nebengräber, dann hackte er das Stahlblatt in den nächsten Baum und blickte mit so wilden, fast wahnsinnigen Augen um sich, daß Borja sich völlig hinter einem Baum verkroch. Schließlich kletterte Bodmar zurück in die Gruft. Nach wenigen Augenblicken aber tauchte er wieder auf, schleuderte seinen Rucksack aus dem Grab und warf ihn über die Schulter.
    Vorsichtig schob sich Borja aus seinem Versteck.
    »Wohin, Söhnchen?« fragte er. Bodmar zog den Kopf zwischen die Schultern. Sein Gesicht war zerfurcht, als sei es aus Narben zusammengesetzt.
    »Ich werde Njuscha suchen«, sagte er tonlos.
    »Du willst einen Hosenknopf in der Wolga suchen? Sascha … fang wieder an zu denken –«
    Borja kam langsam näher. Der große, innere Sturm war über Bodmar hinweggebraust … nun war er ein hilfloser Mensch, ein ziellos Umherirrender, ein Ausgesetzter in der Wüste. Borja spürte in sich den Kummer eines Vaters, dem sein Sohn davonläuft.
    »Komm, setz dich zu mir, Sascha«, sagte er und drehte für Bodmar eine schöne, dicke Zigarette. »Laß uns über alles sprechen …«
    »Ich fahre nach Perjekopsskaja!« rief Bodmar. »Dort werde ich sie treffen.«
    »Sie wird nicht in Perjekopsskaja sein.«
    »Dann weißt du, wo sie ist?« Bodmar stürzte sich erneut auf den Alten. Er drückte ihn gegen einen Baum und riß ihm die Arme nach hinten, als er sich verzweifelt wehren wollte. Die halbgedrehte Zigarette fiel zur Erde. »Warum sagst du nicht die Wahrheit? Was weißt du wirklich?« Plötzlich verließen Bodmar die Kräfte, seine Arme fielen herab, und Borja bückte sich, um den Tabak von der Erde zu sammeln und die Zigarette noch einmal zu drehen.
    »Setz dich, Söhnchen«, sagte Borja und zeigte auf eine Bank neben der Gruft der Shukendskijs. Bodmar schüttelte den Kopf. Seine Hände zitterten wie im Eiswind.
    »Ich kann jetzt nicht sitzen. Sag mir, wohin sie gegangen ist. Das ist alles, was ich noch von dir wissen will.«
    »Sie ist weggeweht wie ein Halm im Wind. Irgendwohin … keiner weiß es genau.«
    »Du lügst.«
    »Ich will blind sein wie ein Regenwurm, wenn das nicht wahr ist.« Borja beleckte das Zeitungspapier und drehte die Zigarette fertig. Dann brannte er sie an, tat den ersten Zug und schob sie danach Bodmar zwischen die Lippen. Zweimal, als hinge sein Leben davon ab, sog Bodmar an ihr, dann spuckte er sie aus.
    »Was hat Njuscha gesagt? Borja … sie kann doch

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