Liebe auf südlichen Straßen
deutsche Kennzeichen an dem silbergrauen Kabrio gab Anlaß zu Begrüßungen von einer Heftigkeit, als begegneten sich zwei Expeditionen in den Eiswüsten der Arktis.
»Keine Sorge, wir bekommen ein Zimmer! Und überhaupt, was stellst du dir unter Gargnano vor? Das ist ein winziges Nest. Nein, diese Fracht geht ganz gewiß nach Gardone oder Sirmione, wo etwas los ist und wo diesen Mädchen das geboten wird, wonach ihr Herz verlangt.«
Vor ihnen verbreiterte sich das Ufer, die Straße lief an Olivengärten und Anlagen mit Orangen- und Limonenspalieren vorbei, und schließlich tauchte mit grünpatinierter Kupferhaube der Kampanile einer Rundkirche mit flacher Kuppel auf. Gargnano! Aber gleichzeitig mit dem Kabrio verlangsamte auch der Bus seine Fahrt und bog links ein, wo eine Straße zum See abzweigte und zwischen blühenden Mauern und Villengärten zur Piazza Feltrinelli, dem Mittelpunkt des Ortes, führte. Elisabeth sah Lorenz von der Seite an. Er kletterte etwas steifbeinig aus dem Wagen und verschwand im Foyer des Hotels »Aquala d’oro«. Und Elisabeth hatte zehn Minuten lang Gelegenheit, die Piazza Feltrinelli, die Bogenhalle des Municipio di Gargnano, das Hafenbecken des Porto nuovo mit ein paar darin schaukelnden Segelbooten, die Ankunft des Motorschiffes »Verona« am Kai und die Hafenpromenade mit der Doppelreihe kugelig gestutzter Orangenbäumchen zu bewundern. Dann kam Lorenz wieder zurück, aber merklich kleiner, als er gegangen war.
»Voll bis zum Dach!« knurrte er und klemmte sich wieder hinter das Steuer, »ausverkauft bis in den September. — Moderne Toiletten, gutes Essen und zivile Preise...«, er brach in ein unmotiviertes Gelächter aus, »wer hätte gedacht, daß sich der Rat, den ich Signor Zanella gab, so prompt auswirken und ausgerechnet gegen seinen Urheber richten würde!«
»Was soll das nun wieder heißen«, fragte Elisabeth und sah ihn an, als fürchte sie, die Hitze habe ihm ein wenig geschadet.
»Ach...«, sagte er, »das ist eine ganze Geschichte. Ich erzähle sie dir bei nächster Gelegenheit. Jetzt müssen wir zunächst einmal weiter. Mir wurde ein kleines Hotel empfohlen, das >Albergo Trota<. Aber wir müssen uns beeilen. Gargnano scheint modern geworden zu sein. Hoffentlich haben wir ein wenig außerhalb des Ortes Glück.«
Sie hatten Glück. Zwar nicht im »Albergo Trota« selber, das ebenfalls ausverkauft war, aber der Wirt verschaffte ihnen in einem Nachbarhause ein Doppelzimmer mit Bad und Balkon, von dem man über lichte Olivengärten einen hübschen Blick auf den See hatte. Über dem breiten Doppelbett, das mit einer pompösen grünseidenen Tagesdecke verhüllt war, hing in vergoldetem Gipsrahmen ein Druck in Bonbonfarben: tanzende Sylphiden in duftigen Schleiergewändern. Elisabeth machte nach einem flüchtigen Blick auf das Kunstwerk ein Gesicht, als hätte sie ein angebrütetes Ei aufgeklopft.
»Noch ist es Zeit weiterzufahren...«, sagte Lorenz liebenswürdig, »in Gardone finden wir bestimmt ein gutes Hotel.«
»Ich bin nicht anspruchsvoll. Und das Bild... nun, schließlich wird es ja einmal Nacht.«
Es war ein Privathaus, in dem sie Unterkunft gefunden hatten. Vier Familien wohnten darin. Im Augenblick waren es vier Frauen mit unglaublich vielen Kindern aller Altersstufen. Die Männer, allesamt Ingenieure, waren sommers über im Straßenbau beschäftigt. Die Frauen verschafften sich durch die Vermietung ihrer Ehebetten willkommene Nebeneinnahmen, denn die Verdienste der Männer waren nicht überwältigend hoch. Lorenz erfuhr alle diese Dinge von Signora Dellarossa in den wenigen Minuten, in denen sie ihnen das Zimmer zeigte und die Schlüssel übergab. Elisabeth folgte dem Wortschwall mit dem etwas unglücklich lauschenden Ausdruck einer Taubstummen. Zwei halbwüchsige Burschen, beide Söhne von Signora Dellarossa, schafften die Koffer aus dem Auto nach oben. Signora Dellarossa öffnete die Türen des Kleiderschranks und sogleich erfüllte solch ein scharfer Kampfergeruch das Zimmer, daß Elisabeth mit einem Niesreiz kämpfte. Signora Dellarossa ließ sich für einen Moment mit ihrem nicht gerade zierlichen Hinterteil auf dem Bettrand nieder, wippte kräftig auf der Matratze und redete dabei auf Elisabeth ein.
»Was sagt sie?« fragte Elisabeth, die nur das Wort Milano verstanden hatte.
»Sie sagt«, dolmetschte Lorenz mit einem kleinen Grinsen, »daß es sehr gute Betten aus Mailand sind, daß sie erst zwei Jahre alt sind und unter Garantie nicht
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