Liebe Ist Furcht
ihre Buchrücken sprangen ins Auge: Leder und Wildleder, leuchtende Farben und Goldschrift. Dies waren Bücher, die vor Jahrhunderten für die Superreichen gemacht worden waren. Als der Besitz eines Buches nicht nur ein Statussymbol war — wie der Besitz eines teuren Autos es heutzutage war — sondern ein Kunstwerk.
Selbst als er auf ein Regal zeigte, konnte sie seine Worte in ihren Ohren klingen hören — dass sie wie der ganze Rest sein würde.
„Hier ist eine Geschichte Eures Volkes. Lest dies durch, und dann werde ich kommen, um Euch zu holen und wir werden essen. Dies —“ Er zog ein Buch aus dem Regal, die Seiten raschelten, während er sie durchblätterte, und sein Gesicht bekam einen Ausdruck mörderischer Wut, als er die Seite fand, die er suchte. „Dies ist Euer Retter, nicht wahr? Lest dies, während ich fort bin, und dann können wir weiter sprechen, wenn Ihr den Wert meiner Worte und Lucas’ wahre Natur kennt!“
Er hielt ihr das Buch hin, und sie sah eine Zeichnung von Lucas in der Hitze des Gefechtes. Langes Haar, die große, schwere Gestalt, von einem Meister mit schwarzer Tinte gezeichnet. Lucas war in einer brennenden Stadt, Leichen waren überall um ihn herum, sein Schwert hoch erhoben, und die Dorfbewohner flohen vor ihm. Die Schrift war alt und fast nicht lesbar.
Cerdewellyn hatte vermutlich seit 1580 kein Buch mehr gesammelt. Sie hatte einen Kurs in Mittelenglisch besucht, hatte ,Sir Gawain‘ und ,The Green Knight‘ sowie ,Chaucer‘ im Originaltext gelesen, sodass sie sich durch dies durcharbeiten konnte, selbst wenn es sechshundert Jahre alt war... aber sie wollte es nicht... denn dies war die Wahrheit.
Und sie wollte sie nicht.
Kapitel 36
Val hätte nicht sagen können, wie viel Zeit in der Bibliothek vergangen war. Es gab ein Feuer im Kamin, und sie setzte sich in einen riesigen Stuhl, sah sich ein Buch nach dem anderen an, bis ihr die Augen weh taten und sie sich ganz benommen fühlte. Lucas hatte ihr nie Geschichtsbücher gegeben. Nie einen vollständigen Text.
Er hatte ihr Ordner gegeben und Kopien von sorgsam ausgewählten Seiten. Damals hatte sie gedacht, es läge daran, dass die Bücher so selten waren, dass sie geschützt werden mussten. Doch jetzt befürchtete sie, dass es daran gelegen war, weil er kontrollieren wollte, wie viel sie wissen durfte.
Sie konnte in fast allem, was er gesagt und getan hatte, Schuld finden. Er hatte sie zur Britischen Bibliothek gebracht, eine der wenigen Bibliotheken, in der es vielleicht ein Buch gegeben hätte, das alt genug war, damit sie etwas über ihn herausfinden konnte, und er war bei ihr geblieben, sie beobachtend.
Sie hatte gemeint, es läge daran, dass er bei ihr sein wollte. Aber das war nicht der Grund gewesen. Er war geblieben, um sicherzustellen, dass sie unwissend blieb. Was das ,gemein‘ in gemeint ausmacht. Er war schön und unwiderstehlich. So außer Reichweite, dass sie, als er ihr überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt hatte, erbärmlich eifrig gewesen war, mit ihm zusammen zu sein.
Nach dem Typen waren übernatürliche Massaker benannt worden! Und einige der Dinge, die sie über ihn gelesen hatte, was er getan hatte, nachdem er einen ganzen Haufen Empathen getötet hatte... waren nicht die Art von Dingen, über die man auf irgendeine Weise hinwegsehen oder die man beschönigen oder übertünchen konnte. Böse war böse. Und dies war etwas ernsthaft Böses.
Wenn sie ihn nicht gekannt, sondern nur über ihn gelesen hätte, hätte sie eine Heidenangst vor ihm gehabt. Hätte sie zwischen ihm und Marion wählen müssen mit dem Wissen, das sie jetzt hatte, hätte sie Marion als die sicherere Option gewählt. Wie zum Teufel war das möglich?
Und was wirklich beschissen war, war, wie verzweifelt ein Teil von ihr all dies ignorieren wollte. Wenn Lucas kam, um sie zu holen — wovon sie mit jeder Faser ihrer Existenz überzeugt war, dass er es tun würde — wollte sie zu ihm rennen, ihn sie halten lassen und so tun, als sei all dies eine Lüge.
Was erbärmlich war. Es machte sie zu ,dem‘ Mädchen. Dem Mädchen, das mit irgendeinem Scheißkerl ausging, von dem alle sagten, dass er ein Fehler war, doch sie ignorierte es blind, weil sie anders war. Und, jetzt kommt’s: sie könnte ihn ändern.
Ja, sicher .
Sie sah auf das Buch nieder, konnte aber die Worte nicht sehen. Na großartig, hier kommen die Wasserwerke . Ihre Unterlippe zitterte, ihr Hals schnürte sich zu und sie fühlte, wie ein
Weitere Kostenlose Bücher