Liebe Ist Furcht
entgehen. Wasser krachte über ihrem Kopf zusammen, Seegras wand sich an ihren Beinen hinauf und zog sie tief ins Wasser hinab.
Val öffnete die Augen unter Wasser. Alles war dunkel, nur der leichteste Lichtschimmer umgab Lucas, als er im Wasser trieb, die Augen geschlossen. Eine erstarrte Leiche. Das Wasser trug ihn von ihr fort, wie unsichtbare Sargträger, seine Kleidung schaukelte sanft in den Wellen, die Finger und Arme waren schlaff, als er davon trieb.
Sie schrie nach ihm, und das Wasser ergoss sich in sie, erstickte sie und zerquetschte ihre Lungen mit eisernem Griff. Das Wasser wollte in sie hinein, sehnte sich danach, sie auch zu nehmen. Val atmete tief ein, fühlte ihre Lungen in einem so schweren Tod explodieren, dass es sich wie Leiden anfühlte.
Der Sensenmann rief ihren Namen. Er hatte ihr Lucas genommen, und jetzt rief er sie auch. Er schlug ihr auf die Brust, schmetterte sie nieder und schrie sie wieder und wieder an, bis sie tat, was er wollte, sich erneut übergab, dann die Augen dem blendenden Tageslicht öffnete.
Jacks Stimme war laut und über ihr, seine Hände auf ihrer Brust zwangen Leben in sie hinein, während er sie anschrie zu atmen und sie wieder ins Leben zurück rief. Doch nicht der Sensenmann.
Schnell, inmitten von Schreien und dem Schaukeln des Bootes, zogen Leute sie aus, nahmen ihr den Taucheranzug und die Taucherbrille ab. Strähnen ihrer Haare wurden mit der Maske ausgerissen, scharfe kleine Schmerzen, die vollständig von dem größeren Schock und der Verzweiflung, die ihren Körper beutelten, überlagert wurden.
Jemand sang, sagte etwas wieder und wieder, aber Val wusste nicht, was sie sagten oder warum. Sie wünschte sich, dass sie die Klappe halten würden. Sie waren so laut und eindringlich.
Jack wickelte sie in ein Handtuch, und das Boot erwachte mit einem Knattern zum Leben, als der Kapitän die Maschinen anschaltete. Die Leute setzten sich hin, der Bootsausflug war vorbei, jetzt wo eine dämliche Touristin fast ertrunken wäre. Jack saß ihr gegenüber auf dem Boden des Bootes an einen Sitz gelehnt, den Kopf in den Händen vergraben, die Schultern hängen lassend. Sie hatte diesen Ausdruck in seinem Gesicht noch nie zuvor gesehen.
Doch. Sie hatte ihn einmal gesehen. Als er zwölf Jahre alt war und neben dem toten Körper seiner Mutter saß. Er hatte genau so ausgesehen. Tränen liefen seine Wangen hinunter, und sie wollte ihm sagen, dass er nicht weinen sollte, weil sie in Ordnung war und ihm nicht wegsterben würde.
Und das war der Moment, in dem sie bemerkte, dass sie schon sprach. Sie hatte seit dem Augenblick gesprochen, in dem sie wieder angefangen hatte zu atmen. Lucas, Lucas , sagte sie wieder und wieder, als Jack dasaß, ein Ausdruck von Angst und
Schrecken auf dem Gesicht.
Kapitel 8
Sie kamen ins Zimmer zurück und warteten auf den Hotelarzt, der Val untersuchen sollte. Er sagte, sie sei in Ordnung. Das Meerwasser war aus ihrem Körper heraus, und das Beste, was sie jetzt machen konnte, war sich auszuruhen. Das kann ich machen , dachte sie, schon fast eingeschlafen.
Jack saß neben ihr, seine Hand umklammerte ihre, als befürchte er, sie würde verschwinden, sobald er losließe. Als sie aufwachte, war er verschwunden. Auf seiner Seite des Bettes lag ein Zettel. Und ja, es war absolut merkwürdig zu denken, dass er eine ,Bettseite‘ hatte.
Auf dem Zettel stand, dass er in der Bar war. Ich werf’s ihm nicht vor. Ich möchte in der Bar sein .
Val setzte sich auf und erinnerte sich an seinen Gesichtsausdruck, als sie immer wieder nach Lucas gerufen hatte. Scheiße, wir werden noch eine verfickte Unterhaltung haben . Und sie musste ihm von ihrem Traum/ihrer Vision von Lucas, der mit ihr zusammen ertrank, erzählen.
Das war sicher ein Traum.
Ihr Verstand hatte ihr einen Streich gespielt, sie ihn sehen lassen. Aber es hatte so wirklich geschienen. So wirklich und so furchtbar . Ihn wieder zu sehen, selbst einen vorgetäuschten ihn... ihr Körper hatte reagiert. Nicht bloß simple Anziehung, sondern mehr als das. Sie hatte sich gefühlt wie eine Lampe, die eingesteckt wurde. Unnatürliche Helligkeit und Konnektivität. Sie würde Geld darauf verwetten, dass es etwas damit zu tun hatte, dass sie eine Empathin war und sein Blut getrunken hatte.
Es war Sonnenuntergang und der Himmel zeigte hundert verschiedene Rosa- und Orangetöne. Sie hatte stundenlang geschlafen. Und obwohl es falsch war, wollte sie Lucas anrufen. Nur um sicher zu
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