Liebe ist kein Beinbruch
Armstrong, und Nikki war nicht überrascht, dass er in der Familie der Marketingexperte war. In der Tat war er der geborene Verkäufer. Was sie jedoch überraschte, war, zu erleben, wie klar der Mannseine Vision von Sweetness als einem beliebten Reiseziel für Outdoor-Touristen vermitteln konnte. Und seine Idee von Sweetness als eigener Marke.
„Wir wollen, dass der Name ‚Sweetness‘ dem Verbraucher etwas bedeutet“, sagte er. „Wenn wir mit unseren Recyclingprodukten und unseren Bäumen und Bächen ihre Aufmerksamkeit fesseln können, dann können wir ihnen auch etwas beibringen.“
Marcus, der Geschäftsmann unter den dreien, kam wieder ans Rednerpult, um zu erklären, wie Sweetness eine Aktiengemeinschaft werden könnte, in die alle Bewohner eingetragen wären und investiert hätten. „Wir bieten Ihnen für zwei Jahre Kost und Logis und kümmern uns um die Grundbedürfnisse. Im Gegenzug bringt sich jeder so ein, wie er kann, und wir alle haben etwas davon, wenn die Stadt langsam wächst.“
Kendall ergriff das Wort. „Das ist die Gelegenheit, den Ort, an dem Sie leben und Ihre Familie gründen wollen, selbst mitzugestalten.“
„Sweetness wird eine echte Kooperative“, sagte Porter. „Aber wir können das nur mit Ihnen zusammen schaffen.“ Er blickte direkt zu Nikki und fixierte sie mit diesen unglaublich blauen Augen. „Mit Ihnen allen.“
Eigentlich hätte sie damit gerechnet, dass jetzt Musik einsetzen würde. Es war ohne Zweifel ein beeindruckender Vortrag gewesen, und die Brüder waren in ihrer Überzeugung, die Stadt wiederaufbauen zu können, wirklich sehr glaubwürdig. Doch nach allem, was sie hier miterlebt hatte, gab es in der Logistik noch einige entscheidende Schwachstellen. Und nachdem der Beifall ausblieb, hatte sie den Eindruck, dass die anderen Frauen genauso dachten wie sie.
„Wie ist das hier mit der Polizei geregelt?“, rief eine Frau. „Sind wir sicher?“
„Was ist mit einem Internetzugang?“, meldete sich eineandere Frau. „Wenn man kein Smartphone besitzt, ist man hier aufgeschmissen.“
„Und das Kabel-TV?“
„Wie bekommen wir unsere Post?“
„Wo ist der nächste Supermarkt?“
„Die nächste Einkaufspassage?“
„Die nächste Zoohandlung?“
„Ich musste heute Morgen kalt duschen.“
„Was ist das für ein rotes Zeug, das Sie Erde nennen?“ „Ist es hier immer so heiß?“
„Ist es hier immer so feucht?“
„Können Sie nicht etwas gegen die Insekten tun?“
Die Frauen stellten weiter eine Frage nach der anderen. Die Männer wirkten, als ob sie am liebsten in Deckung gehen würden, bis Marcus Armstrong die Arme hob, winkte und um Ruhe bat. „Ladys, wir haben das alles selbst noch nicht herausgefunden und entschieden. Aber wir wollen mit Ihnen zusammenarbeiten, um uns um die Dinge zu kümmern, die Ihres Erachtens erst mal am wichtigsten sind.“
Rachel, die neben Nikki saß, erhob sich. „Sie verlangen eine Menge Vertrauen von uns.“
Marcus nickte. „Ja.“
Rachel drehte sich zu Nikki um. „Ich möchte wissen, was Dr. Salinger denkt.“
Nikki erschrak, als mit einem Mal alle Augen auf sie gerichtet waren. Rachel nahm wieder Platz, stieß ihr den Ellbogen in die Rippen und ermunterte sie, aufzustehen. Zögernd erhob Nikki sich. Ihr Verstand und ihr Herz rasten. Porter Armstrong starrte sie an und schien sie um Worte der Bestätigung anzuflehen, um Worte, die zeigten, dass sie das Projekt guthieß.
Der Schweiß brach ihr aus, sie befeuchtete ihre Lippen und betete stumm darum, die richtigen Worte zu finden. „Es beeindruckt mich sehr, was die Armstrong-Brüder hier schaffenwollen. Allerdings habe auch ich beträchtliche Bedenken, was die Befriedigung der alltäglichen Bedürfnisse angeht. Vor allem bereitet mir Sorgen, dass es hier keine medizinische Einrichtung und kein medizinisch geschultes Personal gibt.“
Sie wandte den Blick von Porter ab und schaute nun alle drei Brüder an. „Und ich will ehrlich sein: Ich mache mir Sorgen, dass Ihrer aller Sentimentalität, hier Ihre Geburtsstadt wiederaufzubauen, Ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt. Dass diese Sentimentalität den unzähligen Entscheidungen im Weg steht, die gefällt werden müssen, um Sweetness zu einem sicheren Ort zu machen, an dem man gern lebt.“
Zustimmendes Gemurmel ließ sich vernehmen. Die Frauen nickten und fingen an, leise miteinander zu reden.
„Dr. Salinger“, fragte Porter, und seine tiefe Stimme übertönte das Getuschel. „Warum sind Sie
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