Liebe ist kein Beinbruch
um dem Patienten ins Ohr sprechen zu können. „Mr Armstrong, ich bin Dr. Salinger. Wo tut es weh?“
„Mein … Knöchel.“
„Sonst noch irgendwo?“
Er verzog den Mund. „Mein Stolz ist auch … angeschlagen.“
Sie musste lächeln. „Sind Sie allergisch auf irgendein Medikament?“
Mühsam schüttelte er den Kopf.
„Okay, bleiben Sie liegen. Ich werde versuchen, es Ihnen so angenehm wie möglich zu machen.“
Sie holte eine Spritze und eine Ampulle mit einem Schmerzmittel aus dem Arztkoffer, während sie ihren Blick wieder auf den Mann richtete, um seine Gesichtsfarbe zu kontrollieren. Dabei fielen ihr die dichten Augenbrauen auf, die breite Nase und das markante Kinn mit dem Grübchen. Sie achtete nicht auf das lauter werdende Gemurmel unter den Frauen, die sich um den Mann sorgten und versuchten, ihn einzuschätzen. Und auch ihren beschleunigten Puls ignorierte sie. Porter Armstrong war ein Patient. Dass er besser aussah als die meisten anderen ihrer Patienten in Broadway, tat nichts zur Sache – schöne Menschen wurden genauso von Krankheiten und Verletzungen heimgesucht wie durchschnittlich oder nicht so gut aussehende.
Nikki packte seinen beeindruckenden Bizeps, um die Einstichstelle mit Alkohol zu desinfizieren. Als sie die glatte gebräunte Haut mit der Spritze durchstieß, musste sie zugeben, dass ihr dieser gesunde Muskel, der das Schmerzmittel sogut aufnahm und wirkungsvoll verteilte, gut gefiel. Selbstverständlich nur aus ärztlicher Sicht. Und damit endete ihre Bewunderung auch schon.
Innerhalb weniger Sekunden entspannten sich die Gesichtszüge ihres Patienten, und ein Seufzen kam über seine Lippen. „Das … fühlt sich … besser … an … meine kleine … Frau … Doktor.“
Nikki biss sich von innen auf die Wange. „Gut.“
Zufrieden, dass das Schmerzmittel half, entfernte sie die Manschette von seinem Knöchel, um ihn zu untersuchen. Die Haut war rotblau angelaufen. Über dem Rand des geschnürten Arbeitsstiefels konnte sie eine deutliche Schwellung erkennen. Wenn er Glück hatte, war es nur eine schlimme Stauchung. Wenn er Pech hatte … Nun, im Augenblick konnte sie noch nichts Genaues sagen, aber die Schwellung war besorgniserregend. Nikki nahm eine Schere aus ihrer Arzttasche und schnitt das Hosenbein bis zum Knie auf, das Gemurmel im Publikum wurde lauter.
„Nikki, kann ich irgendwie helfen?“, fragte Rachel. Sie hatte ihren bonbonrosa geschminkten Mund übertrieben besorgt verzogen.
Mit Mühe verkniff Nikki es sich, die Augen zu verdrehen. Rachel schien zu denken, dass sie etwas gemeinsam hätten, weil sie früher einmal bei einem Hautarzt am Empfang gesessen hatte. Sie hatte sich während der ganzen Fahrt gen Süden lang und breit über ihre medizinischen „Fachkenntnisse“ ausgelassen.
„Nein, danke“, flötete Nikki und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Bein zu, das alle Frauen in helle Aufregung zu versetzen schien. Behutsam löste sie den Schnürsenkel des Stiefels und registrierte, dass die Schwellung sich verstärkte. Für den Moment ließ sie den Stiefel an, damit er den verletzten Knöchel stützen konnte. Die Haut war unversehrt, doch der Knöchel war ein einziges großes Hämatom.Vorsichtig tastete sie das Bein ab und bemerkte das scharfe Einatmen ihres Patienten.
„Ich muss eine Röntgenaufnahme machen, um feststellen zu können, ob irgendetwas gebrochen ist.“ Sie blickte zu den beiden Armstrong-Brüdern hinüber. „Wo ist denn hier die medizinische Einrichtung?“
Als die Männer den Blick abwandten, beschlich sie ein ungutes Gefühl. „Hier gibt es kein Krankenhaus und auch keine Ambulanz?“
„Wir haben einen Erste-Hilfe-Raum mit der wesentlichen Ausrüstung“, erwiderte Kendall. „Aber wir haben kein Röntgengerät.“
„Wir wollten ihn nach Atlanta bringen“, sagte Marcus. „Wir könnten ihn auch mit einem Helikopter ausfliegen lassen, wenn Sie der Meinung sind, dass es ernst ist.“
Nikki begann zu verstehen, wie primitiv diese neue „Stadt“ tatsächlich zu sein schien. Die allmählich immer weiter schrumpfende Gemeinschaftspraxis mit mehreren Kollegen, in der sie in Broadway gearbeitet hatte, erschien ihr mit einem Mal gar nicht mehr so schlecht. Sie schluckte. „Hat Ihre Erste-Hilfe-Station einen Platz, wo er sich hinlegen kann?“
„Nein“, gab Kendall zu und wies dann mit dem Daumen über seine Schulter. „Wir können ihn allerdings in die Pension bringen.“
Das würde reichen müssen. „Im Kofferraum
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