Liebe kann man nicht planen, Casanova
vertraut klingenden Ton in der Stimme.
„Eher nicht. Niemand wohnt hier im eigentlichen Sinn. Auch ihr Vater kommt nicht oft hierher und bleibt nur ab und zu über Nacht. Ich kümmere mich um die Vögel und seit Neuestem um die Fische, ich gieße die Blumen, bringe Wäsche in die Reinigung, fülle den Kühlschrank wieder auf und richte die Zimmer her, wenn Besuch kommt.“
„Und war das schon immer so?“
Ruby sah ihn überrascht an. „Nein. Es gab auch einmal ein anderes Leben. Da habe ich Jura studiert und mich anschließend durchs Gesellschaftsrecht gearbeitet. Bis zu dem Tag, an dem mein Vater, der Investmentbanker, beschloss, auf die Kaimaninseln zu fliehen. Für ihn war das eine tolle Lösung, denn die Gefängnisse hier sind ja berüchtigt.“ Rubys Stimme klang, als würde sie übers Wetter plaudern. „Zucker oder Süßstoff?“ Sie öffnete eine Schranktüre.
„Sie sind Harry Maguires Tochter?“ Damons Kinnlade war heruntergeklappt.
„Erwischt.“ Ruby platzierte Zucker und Süßstoff auf der Arbeitsplatte zwischen ihnen und fragte sich, was dieser Mann nur an sich hatte, dass sie so freiheraus von sich erzählte. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich mit Finanznachrichten befassen?“
„Meine Liebe, Ihr Vater hat 872 Millionen US-Dollar veruntreut und sich danach aus dem Staub gemacht. Das hat nicht nur die Finanznachrichten dominiert! Ihr Vater ist ein Supergangster!“ Er sagte das mit einem Anflug von echter Bewunderung. „Wo steckt er denn jetzt?“
„Nun, das ist die 872-Millionen-Dollar-Frage“, entgegnete Ruby und fügte nachdenklich hinzu: „Ich habe tatsächlich keine Ahnung.“
„Hattet ihr nicht so ein enges Verhältnis?“
„Doch, sehr sogar. Mein Vater war mein einziger richtiger Verwandter. Ich bin zu zweit mit ihm aufgewachsen – inklusive einer Unzahl an Kindermädchen, Butlern, Köchen, Hauslehrern. Ich habe seine Arbeit sehr geschätzt. Jetzt tue ich das nicht mehr.“
„Weil er das Gesetz gebrochen hat? Oder weil er dich verlassen hat?“, fragte Damon vorsichtig. Ruby sah ihn an und fragte sich, was sie davon halten sollte, dass er sie plötzlich duzte. Dann sah sie ihn richtig an und bemerkte, dass er sich wirklich für ihr Problem interessierte. Er war nicht mehr der strahlende Sonnyboy von vorhin.
„Das Gesetz zu befolgen ist manchmal nicht leicht.“
„Du sagst es.“ Damon lehnte sich so weit vor über die Küchentheke, dass er fast ihren Arm berührte.
Es war nicht leicht für Ruby, nicht auf Damons Mund zu starren, nicht seinen Blick zu erwidern, der geradezu dazu aufforderte, mit ihm auf sein Zimmer zu gehen.
„Hast du schon irgendwelche Pläne für deinen Aufenthalt hier?“, fragte sie schnell, denn es wurde dringend Zeit, das Thema zu wechseln.
„Hättest du eine Idee?“
„Oh ja. Du könntest mir helfen, Weihnachtsgeschenke für deine Schwestern zu besorgen.“
Damon wich erschrocken zurück, und Ruby lachte übers ganze Gesicht. „Hast du wirklich gedacht, ich frage den heiß geliebten Sohn meines Chefs, ob er mir bei meiner Arbeit hilft?“
„Ich bin nicht heiß geliebt .“
„Ich denke schon. Du müsstest mal hören, wie dein Vater von dir spricht. Mit einer Mischung aus Liebe und Enttäuschung, Stolz und Anerkennung. Ich muss zugeben, Liebe und Enttäuschung findet man bei den meisten Vätern. Stolz und Anerkennung hingegen von einem der erfolgreichsten Banker der Welt, das ist schon nicht schlecht. Frage mich, womit du dir das verdient hast?“
„Kein Kommentar. Wenn er tatsächlich so positiv von mir denkt, wollen wir es dabei belassen. Und was das Weihnachts-Shopping mit dir betrifft, ich bin dabei! Gib mir nur fünf Minuten, um mir etwas anzuziehen.“
„Ja, das wäre wohl nicht verkehrt … Lass dir aber ruhig Zeit, ich brauche noch mindestens 15 Minuten hier.“
Ruby schob den fertigen Espresso über die Theke zu Damon, woraufhin dieser rasch seine Hand ausstreckte und an ihren Fingern entlangstrich. Seine Berührung löste bei Ruby eine heftige Gänsehaut aus. Ein Kribbeln, das sich blitzschnell in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Was hatte das bitte zu bedeuten? Erschrocken zog sie ihre Hand zurück.
Natürlich hatte sie in ihrem Leben schon Verlangen verspürt, tiefe Begierde und Lust. Aber von solch einer unbedeutenden Berührung? Ruby war verwirrt. Das durfte sie nicht zulassen.
„Was ist?“ Damon schmunzelte. „War der Kaffee zu heiß?“
„Nicht unbedingt der Kaffee …“ Ruby seufzte. „Damon,
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