Liebe sucht sich einen Weg
Punkt konnte Julius sich in sie hineinversetzen. Zwischen ihm und Bero, das war auch Liebe auf den ersten Blick gewesen. Dieses verwegene Haarbüschel, das vom Kopf des Welpen abstand, hatte es ihm sofort angetan. Er hatte sich hingehockt, um den Hund zu streicheln, und Bero hatte sich auf den Rücken geworfen und ihm seinen Bauch hingehalten.
Julius beugte sich zu Bero hinunter, der neben ihm lief, und tätschelte kurz die Stelle, wo immer noch ein Haarbüschel prangte.
Als Julius Anna und Spike zum ersten Mal begegnet war, hatte er ihre Neuerwerbung ganz nett gefunden – bis auf den albernen Namen, natürlich. Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht – genauer gesagt, ohne die Wirte, nämlich Bero und Spike. Die konnten sich nämlich vom ersten Augenblick an nicht ausstehen.
Im Grunde war es Spikes Schuld gewesen. Wie ein Irrer stürzte er auf den Schäferhund zu und forderte ihn zum Spielen auf. Das passte Bero überhaupt nicht. Er schlug mit der Pfote nach dem Welpen und versuchte ihn abzuwehren. Doch der verstand die Zeichen nicht und sprang weiter freudig an ihm hoch. Bero begann zu knurren.
Anna durchschaute die Situation offenbar auch nicht, denn sie lachte und sah seelenruhig zu, wie Bero immer wütender wurde. Und dann war es zu spät. Der Schäferhund schnappte zu, Spikey jaulte auf, und ehe sie es sich versahen, war ein heftiger und sehr ungleicher Hundekampf im Gange.
Julius blieb nichts anderes übrig, als die Leine loszulassen. „Nicht dazwischengehen!“, brüllte er Anna zu. „Sonst kriegst du auch was ab!“
Hilflos sahen sie zu, wie sich die Tiere ineinander verbissen. Es war schon bewundernswert, wie sich der Mischling gegen den riesigen Bero zur Wehr setzte. Dennoch hatte er natürlich keine Chance. Das Ende vom Lied war, dass Spikey am Auge blutete und eine Bissverletzung an der Vorderpfote davontrug.
Anna weinte, als sie ihren Hund auf den Arm nahm und in Richtung Straße lief. Julius wäre selbstverständlich mitgekommen, aber es ging nicht, wegen Bero, der sich wie ein Wahnsinniger gebärdete.
Danach schien Anna wie vom Erdboden verschluckt. Er hätte sie angerufen, aber da erst fiel ihm auf, dass er kaum etwas über sie wusste. Zum Beispiel hatte er keine Ahnung, wie sie mit Nachnamen hieß. Auch bei welchem Arzt sie arbeitete, war ihm unbekannt. Nur, dass es ein Allgemeinmediziner in der Nachbarstadt war. Aber er konnte ja wohl schlecht auf gut Glück alle Hausärzte dort anrufen und fragen: „Ach, entschuldigen Sie, arbeitet bei Ihnen zufällig eine Arzthelferin mit roten Haaren und türkisblauen Augen, die Anna heißt und sich vor kurzem einen Hund angeschafft hat?“
Er musste sich unbedingt erkundigen, wenn er sie das nächste Mal sah. Julius hielt nach ihr Ausschau, immer auf der Hut, immer auf dem Sprung, Bero sofort an die Leine zu nehmen, doch es dauerte einige Tage, bis sie ihm wieder über den Weg lief. Zum Glück hatte er Bero zufällig zu Hause gelassen, sodass er ungestört mit ihr reden konnte – oder vielmehr mit ihr hätte reden können.
„Hallo, Anna“, rief er.
Sie erwiderte seinen Gruß nicht.
„Wie geht es ihm?“, setzte er mit Blick auf ihren Hund hinzu.
„Das siehst du doch.“
Spikey hatte einen Verband um sein Bein. Er sah grotesk aus, denn sein Kopf steckte in einem großen Plastiktrichter, der bei jeder Bewegung wippte.
„Er musste genäht werden“, fuhr Anna so vorwurfsvoll fort, als hätte Julius Spike höchstpersönlich gebissen. „Mit Narkose und allem Drum und Dran. Und jetzt läuft der arme, kleine Kerl mit diesem Riesending herum, damit er nicht an den Verband und die Wunde herankommt.“ Finster schaute sie Julius an. „Und das ist alles nur deine Schuld.“
„Wieso meine?“, begehrte Julius auf. „Schließlich war es der arme, kleine Kerl, der angefangen hat.“
„Wenn du die Leine nicht losgelassen hättest, wäre das nicht passiert.“
„Das stimmt nicht! Ich hatte keine andere Wahl.“
„Red e doch nicht! Aber ich hab’s ja gewusst. Männer sind feige.“
Ärger wallte in ihm auf. „Und ihr Frauen seid unvernünftig“, schnappte er. „Erkundige dich mal, wie man sich bei einem Hundekampf verhalten soll. Jeder wird dir sagen, dass ...“
„Ach, hör doch auf! Lass mich in Ruh! Komm, Spikey.“ Hocherhobenen Hauptes schritt sie davon. Der Hund humpelte gottsjämmerlich hinter ihr her.
„Warte!“ Mit ein paar Schritten hatte Julius Anna eingeholt. „Bero kann zwar nichts dafür, aber wenn du
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