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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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im Roten Stern, einer Bar im Schanzenviertel, in der sich die Hamburger Gastroszene nach der Arbeit trifft, um sich mit unschlagbar billigen Drinks volllaufen zu lassen. Man kann sich dort eine Flasche Schnaps und Gläser auf den Tisch stellen lassen, hinterher wird der Füllstand abgemessen, und man bezahlt nach getrunkenen Zentimetern.
    Sarah bestellte eine Flasche Wodka und zwei Gläser und tat auch sonst alles, was man von einer besten Freundin in einer solchen Situation erwartet: Sie streichelte meine Hände und sprach mir Mut zu, machte dumme Witze über Olaf Schwarzens Halbglatze und erteilte mir zwischendrin die klügsten Ratschläge, die ich je bekommen hatte.
    Leider kann ich mich an keinen einzigen mehr erinnern.
    Ich kann mich eigentlich an nichts von dem erinnern, was danach geschah, so sehr ich mein angeschlagenes Hirn auch bemühe. Nur so viel weiß ich noch: Irgendwann muss sich meine Laune verbessert haben, denn durch meinen Kopf geistern ein paar schemenhafte Bilder davon, wie plötzlich, als Sarah sich zu fortgeschrittener Stunde verabschiedete, ein paar ihrer Kollegen an meinem Tisch saßen und ich mich köstlich über die riesige Nase des einen amüsierte und es unglaublich witzig fand, dumme Anspielungen auf seinen Johannes zu machen.
    Wie beschämend. Mein ganzes Leben ist beschämend! Seit die Sache mit Jan passiert ist, geht es bergab. Was kommt denn bitte schön als Nächstes? Ich bin arbeitslos, und jetzt? Ich sehe es schon vor mir: wie Menschen, die einmal mit mir befreundet waren, nun wegsehen, wenn sie mir auf der Straße begegnen. Wie ich, statt wie bisher Grünen Veltliner bei Jacques ’ Weindepot zu holen, anfange, Wilthener Goldkrone bei Lidl zu klauen. Wie lange werde ich mir noch die Miete leisten können? Ich stelle mir vor, wie ich in dem nudefarbenen Kaschmirkleid, das ich mir neulich in den Alsterarkaden gekauft habe, auf dem PVC -Belag einer Sozialwohnung liege, der Boden hat Brandlöcher, das Kleid Branntweinflecken, und meine Augen – meine Augen sehen aus, als hätte jemand zwei Zigaretten darin ausgedrückt und die Stummel stecken lassen.
    Moment. Ich muss doch gar keine Miete zahlen. Die Wohnung, in der ich lebe, haben sich meine Eltern gekauft, aus Steuergründen. Meine Gedanken müssen wirklich konstruktiver werden. Ich male mir aus, wie ich Olaf Schwarz eine Flasche Goldkrone über das rosa Käppchen auf seinem Schädel ziehe – ach, das war gar kein Käppchen, sondern Ihre Stirnglatze? Ooopsie!
    Schon besser. Mir gelingt ein erstes Grinsen.
    Das Telefon fängt schon wieder an zu klingeln. Meine Güte, wie kann man nur so penetrant sein! Ich bringe es immer noch nicht über mich dranzugehen. Ich fühle mich um Galaxien zu schwach, meiner Mutter vorzulügen, dass alles in Ordnung sei – und die Wahrheit kann ich ihr ja wohl schlecht sagen. Mama, in Wirklichkeit bin ich gar nicht mehr mit Jan zusammen, schon seit drei Monaten nicht mehr – und, übrigens: Arbeitslos bin ich auch!
    Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich immer von einer befristeten Stelle als Lektorin für Lebensberatung und Berufsstrategie geträumt hätte, ganz im Gegenteil.
    Gott, ich erinnere mich noch lebhaft an den Moment, als mich meine Eltern mit bleichen Mienen beiseitenahmen und mich fragten, was ich mit diesem Germanistikstudium denn bitte schön anfangen wolle (sie sprachen es aus, dass es klang wie Ger- mist- ikstudium). Dazu muss man wissen, dass ich einer alten Hamburger Kaufmannsfamilie entstamme, zu deren festen Ansichten die gehört, dass die Beschäftigung mit Kunst, Philosophie, Theater und ähnlichem Unfug einem den gesunden Menschenverstand vernebelt und dass man zum Geschäftemachen keine modernen Versepen, sondern Schneid und einen klaren Kopf braucht. Als ich den beiden antwortete, ich wolle Verlagslektorin werden, seufzte meine Mutter wie eine Märtyrerin, die ihr liebstes Kind an die Ungläubigen verloren hat. Mein Vater zog sich ohne ein weiteres Wort in sein Arbeitszimmer zurück, um den Schmerz bei einem Pfeifchen zu verdauen.
    Ehrlich gesagt, hatte ich, als ich » Lektorin« sagte, noch an elegante Prosa gedacht, an hohe Literatur, an gesellschaftskritische, revolutionäre Romane. Aber bekanntlich besteht ja eine der wichtigsten Lektionen im Leben darin zu erkennen, wenn man zu hohe Ansprüche an selbiges stellt. Das behauptet zumindest Willibald Abraham Smith, Autor des Weltbestsellers Gib dich auf – und du bekommst dich doppelt und dreifach zurück, dem ersten

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