Liebe Unerwuenscht
nicht passieren.
Jennifer stieg in ihren Wagen, doch statt den Motor zu starten saß sie nur regungslos da. Und während sie so da saß, spürte sie förmlich, wie ihr alles entglitt. Doch ihr fehlte längst die Kraft, sich dagegen zu wehren. Sie fühlte sich ausgelaugt und matt.
Es hatte keinen Sinn, wieder ins Büro zu fahren. Nicht, solange sie so neben der Spur war. Sie brauchte mal einen Tag Ruhe. Das würde helfen.
Jennifer nahm ihr Handy und rief im Büro an. »Lena? Ich nehme mir heute frei. Sagen Sie meine Termine ab.«
»Aber heute ist die Ernennung des neuen Bürgermeisters. Sie sind Mitglied des Stadtrats. Man erwartet . . .«
»Ist mir egal, was man erwartet. Ich muss mal abschalten. Sagen Sie, ich bin krank.«
»Sie sind nie krank, selbst wenn sie krank sind!«
»Und diesmal bin ich es nicht, bin es aber trotzdem.« Damit schaltete Jennifer das Handy aus, fuhr nach Hause, wo sie sich aufs Sofa legte, mit dem festen Entschluss, den Rest des Tages darauf zu verbringen. Einfach schlafen, an nichts denken.
Doch ihre innere Uhr sah mittags um eins nicht vor, abgeschaltet zu werden. Nach zwanzig Minuten angestrengten Einschlafversuchens sprang Jennifer von einer Sekunde zur nächsten auf. Rastlos lief sie im Wohnzimmer hin und her.
Na prima! Konnte sie denn nicht mal mehr abschalten? . . . Nur weil ihre Gedanken ständig um Caroline kreisten . . . was die nun tun würde . . . nachdem sie die Berechnungen gesehen hatte, die eindeutig bewiesen: Es gab keine Alternative zur Schließung der genannten Abteilungen.
»Sie haben es gelesen?« fragte Caroline den Verwaltungsdirektor.
Hausmann nickte. »So, wie es aussieht, können wir der Centrum Klinik AG, respektive Frau Feiler, nicht vorwerfen, wie sie sich entschlossen haben.«
»Aber . . . es muss doch eine Alternative geben. Es gibt immer eine Alternative!« beharrte Caroline.
»Wie soll die denn aussehen?«
»Bin ich der Kaufmann oder Sie?«
Hausmann kratzte sich am Hinterkopf. »Drei Millionen kann man nicht einfach so aus dem Hut zaubern. Das ist ein ernstzunehmender Fehlbetrag.«
»Aber wenn wir ihn auftreiben, können wir Frau Feiler an ihr Versprechen erinnern. Und zwar nachhaltig! Keine Schließung! Es gäbe keinen plausiblen Grund mehr dafür.«
Hausmann gab sich skeptisch. »Finden wird sie trotzdem einen, wenn sie es darauf anlegt.«
Caroline zögerte. Sie war selbst immer noch überrascht von den unerwarteten Bemühungen Jennifers.
»Ich glaube nicht, dass sie es darauf anlegt«, sagte sie dann langsam. »Immerhin hat sie sich die Arbeit gemacht, diese Berechnungen anzustellen.« Caroline wies auf die Mappe, die zwischen ihr und Hausmann auf dem Schreibtisch lag. »Wozu der Aufwand, wenn die Bereitschaft fehlt, einen anderen Weg zu gehen?«
Caroline konnte Hausmann verstehen. Sie hatte denselben Verdacht gehabt: Eine Alibikalkulation. Keine ernste Absicht dahinter. Aber dann fragte sie sich: Wieso? Jennifer hatte es nicht nötig, sich einen Vorwand zu konstruieren. Die Bilanzzahlen waren nach den neuesten Erkenntnissen noch roter als rot. Rein kaufmännisch, und von der Seite betrachtete es Jennifer nun mal, brauchte sie sich nicht zu rechtfertigen. Sie brauchte auch nicht einzulenken. Trotzdem tat Jennifer es.
Caroline hatte eine Weile gebraucht, um das zu bemerken. Dies hier war ein Angebot. Jennifer sagte: »Lies es und sag mir anschließend, was ich machen soll.« Was soviel bedeutete wie: Wenn du einen Ausweg findest, höre ich ihn mir an.
Was Caroline nicht ganz klar war, oder besser, was sie nicht glauben konnte: Tat Jennifer das ihretwegen? Im Grunde war das die einzige Erklärung. Caroline war verwirrt.
Umschalten, Caroline! Konzentriere dich!
»Ich bin mir relativ sicher, Frau Feiler will uns eine reelle Chance geben«, sagte sie zu Hausmann.
»Also gut, ich habe da eine Idee«, meinte Hausmann. »Dazu brauche ich die Vertreter des Personalrats. Ich melde mich bei Ihnen.«
»Ich weiß nicht, wie lange Frau Feiler warten wird.« Caroline sah Hausmann drängend an. »Wir sollten uns nicht zuviel Zeit lassen.«
»Ich rufe Frau Feiler an«, meinte Hausmann. »Ich denke mal, ich brauche etwa eine Woche.«
»Ach lassen Sie mal, das mache ich schon«, bot Caroline sich an. »Schließlich hat sie mir ja die Unterlagen gegeben.«
Hausmann nickte. »Einverstanden.«
Caroline verließ sein Büro. Ich schulde Jennifer wohl so was wie eine Entschuldigung, dachte sie bei sich. Und sie mir eine Erklärung. Darum
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