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Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
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»Mythos unendlicher kultureller Vielfalt« zugunsten einer globalen »Gleichheit von Sex und Liebesverhalten«. 3
    Der Mann, der das Wort »evolutionäre Psychologie« erfand, ist heute ein vergleichsweise wenig bekannter Forscher an der California Academy of Sciences. Im Jahr 1973, als Michael T. Ghiselin den Begriff das erste Mal in einem Fachaufsatz für das Wissenschaftsmagazin Science verwendete, war er Professor an
der University of California in Berkeley. Ghiselin war der festen Meinung, dass die Idee, die gesamte menschliche Psychologie mit den Mitteln und Methoden der Evolutionsbiologie zu durchleuchten, eine Idee Darwins war.
    In seinem zweiten Hauptwerk Die Abstammung des Menschen (1871) hatte der Vater der modernen Evolutionstheorie nicht nur die Entstehung des Menschen, sondern auch die Ursprünge seiner Kultur biologisch erklärt. Moral, Ästhetik, Religion und Liebe hatten demnach einen natürlichen Ursprung und einen klaren Sinn. Darwins Zeitgenossen und Nachfolger griffen den Ball begierig auf und übertrugen die Begriffe der neuen Evolutionstheorie vom Überleben der Fittesten im Kampf mit der Umwelt auf die Gesellschaft und die Politik. Der »Sozialdarwinismus« trat seinen Siegeszug an, vor allem in England und in Deutschland. Vom »Überleben der Fittesten« bis zum »Recht des Stärkeren« war es nur ein kleiner Schritt. Sein Werdegang ist bekannt. Die Ideologie überschlug sich im angeblichen »Naturrecht der Völker« im Ersten Weltkrieg und, als wäre dies noch nicht genug gewesen, in der Rassentheorie, dem Holocaust und in den Eugenik-Programmen der Nazis zur Tötung sogenannten »lebensunwerten Lebens«.
    Die Katastrophe hatte Folgen. Mehr als zwanzig Jahre lang herrschte Ruhe an der Front. Die biologische Erklärung der menschlichen Kultur versank in den Dornröschenschlaf. Doch in der Mitte der 1960er Jahre rüttelte der Evolutionsbiologe Julian Huxley die Massen in England wach. Und in Deutschland und Österreich meldete sich der frühere Rassentheoretiker und Nationalsozialist Konrad Lorenz unerschrocken wieder zu Wort. Ende der 1960er Jahre war die Zeit reif für einen Neuanfang. Überall fanden sich mit einem Mal Biologen, die die alte Biologie des Sozialen für eine fast gute Idee hielten. Man befreite die verdächtige Forschung von aller Rassentheorie. Und auch über Politik wollte man sich nach dem Sündenfall fortan nur noch bescheiden äußern. Ghiselin prägte das Wort »evolutionäre
Psychologie« und der Evolutionsbiologe Edward O. Wilson die »Soziobiologie«. In den 1970er und 1980er Jahren setzte sich Wilsons Begriff durch, seit den 1990er Jahren aber das unverdächtigere und modernere Wort von Ghiselin.
    Der Gedankengang der Soziobiologen und evolutionären Psychologen ist in etwa wie folgt: Wenn man verstehen will, wie sich der Konkurrenzkampf aller Lebewesen in der Evolution zugetragen hat, dann ist die Maxime vom »Überleben der Fittesten« die bis heute beste Erklärung. Fit sind vor allem jene Lebewesen, die sich besonders gut an veränderte Umweltbedingungen anpassen konnten und können. Die am besten angepassten Arten gaben ihr wertvolles Erbgut weiter und setzten sich gegenüber vielen anderen, weniger fitten Arten durch.
    Diese Ansicht wird heute in ihren wesentlichen Grundzügen kaum bestritten. Sie ist die vorherrschende Erklärung der Evolution. Evolutionäre Psychologen folgern daraus, dass die wichtigsten Merkmale des menschlichen Körpers einen Vorteil in der Evolution gebracht haben müssen. Aber bezeichnenderweise nicht nur die Merkmale des Körpers. Auch unsere Psyche soll so sein, wie sie ist, weil sie uns Vorteile verschaffte. Unsere Wahrnehmung, unser Gedächtnis, unsere Problemlösungsstrategien und unser Lernverhalten müssen sich positiv ausgewirkt haben auf unsere Überlebenschancen. Wäre das nicht der Fall, wären sie wahrscheinlich ganz anders beschaffen oder der Mensch wäre ausgestorben. Da dies aber nicht zutrifft, könne man getrost davon ausgehen, dass sich die besten unserer geistigen Eigenschaften durchgesetzt haben. Unsere Psyche sei sehr fein auf die Umwelt abgestimmt. Diese Umwelt aber – und dies ist der springende Punkt – ist nicht unsere heutige Zeit, sondern jene Epoche, in der der moderne Mensch biologisch entstand: die Steinzeit!
    Unsere heutige Zeit mit ihrer modernen Umwelt dagegen besteht erst so kurz, dass sie in der biologischen Entwicklung unserer Psyche keine Rolle gespielt haben kann. Die »Module« im
Gehirn, die

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