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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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sollten einen nicht anschreien und mit Schimpfnamen belegen. Gestern Abend hat er mich eine egoistische Göre genannt, weil ich darüber geweint habe, dass ich nicht zumTheater-Workshop gehen darf. Dann bekam er die Sammel-DVD, die ich mir von dir gemacht hatte, in die Finger und hat sie direkt vor meinen Augen zerbrochen. Er meinte, er müsse mir mal eine Lektion erteilen. Und was für eine Lektion genau? Dass es okay ist, das Eigentum anderer Leute zu zerstören? Jetzt habe ich also nicht einmal mehr dich zum Anschauen, meine einzige Fluchtmöglichkeit aus diesem Elend, das sich mein Leben nennt. Das Schlimmste war, dass meine Mum einfach dabeistand, während er das gemacht hat. Sie hat nicht mal versucht, ihn aufzuhalten. Warum kann sie nicht einmal für mich einstehen? Das Einzige, was sie tut, ist, mir zu sagen, ich soll still sein und kein Theater machen. Als wenn sie Angst vor ihm hätte. Aber ich habe keine. Echt nicht. Mich kratzt nicht, ob er ein einsfünfundachtzig großer Skinhead mit einem tätowierten Schäferhund auf dem Oberschenkel ist. Er ist einfach nur ein Tyrann, und mein Vater hat mir mal erklärt, dass alle Tyrannen im Herzen Feiglinge sind.
    Es tut mir leid, dass diese Mail so depressiv klingt, aber vielleicht hat Jessica ja recht, und du liest meine Mails sowieso nicht. Na toll, jetzt erscheint hier das Fenster auf dem Bildschirm und sagt mir, dass ich nur noch eine Minute Zeit habe. Eine Minute, bevor ich wieder in diese Hölle zurückmuss, die ich mein Zuhause nenne.
    In Trauer, deine
    Georgie x

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Re: Depression
    Datum: Freitag, 21. Juli, 18:19

    Liebe Georgie,
    dein Vater wird immer dein Vater bleiben   – und er wird in deinemHerzen und in deinen Erinnerungen immer lebendig bleiben, und niemand, aber wirklich niemand kann dir das wegnehmen. Darf ich dir noch ein anderes Gedicht empfehlen? Es heißt »Dies sei der Vers« und ist von Philip Larkin. Ich hoffe, es hilft dir …
    Dylan x

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Wow und danke!!
    Datum: Samstag, 22. Juli, 10:36

    Lieber Dylan,
    oh mein Gott!! Ich bin so glücklich, ich könnte die Frau am Computer neben mir abknutschen! Na ja, vielleicht lasse ich das doch lieber, denn sie hat einen leichten Damenbart und lutscht einen Fisherman’s Friend. (Gab es eigentlich schon jemals ekligere Bonbons? Wie können denn Fischer so was als Freund bezeichnen? Na ja, ich nehme an, ein bisschen besser als Fisch schmeckt es bestimmt. Vielleicht sollte ich ein paar für Jessica kaufen, die könnte sie dann nach ihren Krabbenstäbchen lutschen.) Wie auch immer, du hast mir gemailt, und ich kann es einfach nicht fassen. Du hast mir wirklich gemailt, und ich weiß ganz genau, dass es keine Gruppenmail war. Zuerst einmal hast du »Liebe Georgie« geschrieben, statt »Hi da draußen«, und dann hast du ja auch über meinen Dad geschrieben, und du würdest doch nicht in einer Gruppenmail über meinen Dad schreiben, oder? Ich meine, du würdest ja wohl kaum deinen ganzen Fans mailen und mit denen über ihre toten Väter reden. Zuerst mal würden die meisten von den Vätern ja noch nicht einmal tot sein, und es würde einen doch ganz schön fertigmachen, wenn man eine Mail über seinen toten Vater bekäme, obwohl der gar nicht tot ist, oder? Aber mich hat deine Mail überhaupt nicht fertiggemacht, denn sie war so wahr, und ich hatte noch nie so darüber nachgedacht, abernatürlich lebt mein Vater in meinem Herzen und in meinen Erinnerungen weiter, und solange ich an ihn denke und mit ihm rede (natürlich nur, wenn ich allein bin), existiert er noch. Und du hast dieses tolle Gedicht ganz speziell mir empfohlen, weil du wusstest, dass es mir davon besser gehen würde. Ich liebe die erste Zeile. Philip Larkin hat ja so recht, der Ton-Zerstörer terrorisiert mich wirklich. Bei dem Teil, in dem steht, dass unsere Eltern uns mit ihren eigenen Fehlern vollstopfen, bin ich allerdings anderer Meinung. Auf gar keinen Fall werde ich jemals Kinder so rumkommandieren oder so ein ignoranter Rassist werden wie er. Oder Alkohol trinken. Aber ist das Leben wirklich für alle so ein Elend? Es muss doch auch irgendwo nette Eltern geben. Mein richtiger Vater hätte mich bestimmt nie terrorisiert, und wenn er noch leben würde, dann würde meine Mum so fröhlich und sorglos sein, wie sie früher war, und sie würde   – nun ja, sie würde auch nicht dauernd so krank

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