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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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Einzelheiten erlaubt. Die ganze Sache ist schlimm genug, aber Leben gingen nicht verloren, und es gab nur einen schweren Unfall. Wir können nur mit Schaudern daran denken, wieviel schlimmer es hätte sein können, da über hundert Kinder in dieser Feuerfalle von einem Gebäude im Schlaf lagen. Die neue Feuerleiter war völlig nutzlos. Der Wind hat darauf geblasen, und die Flammen haben sie einfach eingehüllt. Wir haben alle durch die mittlere Treppe gerettet, — aber ich will am Anfang anfangen und die ganze Geschichte erzählen.
    Es hatte den ganzen Freitag geregnet, dank einer gnädigen Vorsehung, und die Dächer waren gründlich naß. Abends fing es an zu frieren, und der Regen verwandelte sich in Graupeln. Um zehn Uhr, als ich ins Bett ging, blies ein furchtbarer Sturmwind aus Nordwest, und alles, was am Haus locker war, ratterte und klapperte. Ungefähr um zwei Uhr schreckte ich hellwach auf; ein grelles Licht war in meinem Auge. Ich sprang aus dem Bett und rannte

    ans Fenster. Die Wagenremise war eine einzige Flammenmasse, und ein Funkenregen ging über unserem Ostflügel nieder. Ich rannte ins Badezimmer und lehnte mich da aus dem Fenster. Ich konnte sehen, daß das Dach des Kinderzimmers schon an einem halben Dutzend Stellen brannte.
    Meine Liebe, mein Herz hat eine Minute lang einfach überhaupt nicht geschlagen. Ich dachte an die siebzehn Babys dort oben unter dem Dach, und ich konnte nicht mehr schlucken. Schließlich brachte ich meine zitternden Knie wieder in die Halle und raste in den Gang, unterwegs meinen Automantel ergreifend.
    Ich trommelte auf den Türen von Betsy und Miß Matthew und Miß Snaith. Gerade kam Herr Witherspoon, der auch vom Licht erwacht war, die Treppe heraufgefallen, drei Stufen auf einmal, und versuchte, im Laufen seinen Mantel anzuziehen.
    „Bringt alle Kinder ins Eßzimmer, die Babys zuerst“, keuchte ich, „ich werde den Alarm anstellen.“
    Er stürzte in den dritten Stock, während ich ans Telefon rannte, — ach, ich glaubte, ich würde das Amt nie kriegen, es lag in festem Schlaf.
    „Das John-Grier-Heim brennt! Gebt Alarm, weckt das Dorf. Verbindet mich mit 505“, sagte ich.
    In einer Sekunde hatte ich den Doktor. Mein Gott, war ich froh, seine kühle, ruhige Stimme zu hören!
    „Wir stehen in Flammen!“ rief ich. „Kommen Sie schnell, und bringen Sie soviel Männer, wie Sie können!“
    „Ich bin in fünfzehn Minuten da. Füllen Sie die Badewannen mit Wasser, und tun Sie die Decken hinein.“ Und er hatte aufgehängt.
    Ich raste in die Halle zurück. Betsy läutete an unserer Feuerglocke, und Percy hatte schon seine Indianerstämme in den Schlafsälen B und C geweckt.
    Unser erster Gedanke war nicht, das Feuer aufzuhalten, sondern die Kinder an einen sicheren Ort zu schaffen. Wir haben in G angefangen, sind von Bettchen zu Bettchen gegangen, haben ein Baby und eine Decke ergriffen, sind mit ihnen zur Tür gestürzt und haben sie den Indianern übergeben, die sie die Treppe hinuntertrugen. Sowohl G wie F waren voll Rauch und die Kinder in einem so totenähnlichen Schlaf, daß wir sie nicht wach bekamen.
    Viele Male in der folgenden Stunde habe ich der Vorsehung — und Percy Witherspoon — für die lauten Feuerübungen gedankt, die wir Woche für Woche erhtten haben. Die vierundzwanzig ältesten Buben haben unter seiner Führung nicht eine Sekunde lang den Kopf verloren. Sie haben sich in vier Stämme aufgeteilt und sind wie kleine Soldaten an ihre Posten gesprungen. Zwei Stämme haben geholfen, die Schlafsäle freizumachen und die erschrockenen Kinder in Ordnung zu halten. Ein Stamm hat die Spritze am Tank in der Kuppel gehandhabt, bis die Feuerwehr kam. Die übrigen haben die Sachen gerettet. Sie haben Leintücher auf den Boden gebreitet, den Inhalt von Schränken und Schubladen hineingeleert und sie hinuntergetragen. Alle Kleider sind gerettet worden, mit Ausnahme derjenigen, die die Kinder gerade getragen hatten, und die meisten Sachen der Angestellten. Aber die Kleider, das Bettzeug, — alles was nach G und F gehörte, ist dahin. Die Zimmer waren zu raucherfüllt, als daß man mit Sicherheit hätte eindringen können, nachdem wir das letzte Kind herausgeholt hatten.
    Bis der Doktor mit Luellen und zwei unterwegs aufgelesenen Nachbarn ankam, waren wir schon dabei, den letzten Schlafsaal in die Küche zu bringen; die war am weitesten vom Feuer entfernt. Die armen Hühnchen waren nur in Decken gewickelt; wir hatten ihnen, als wir sie weckten, gesagt, sie

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