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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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Schlittschuh-Gesellschaften und Bonbon-Ziehen. Ich weiß nicht, ob sich diese verwöhnten kleinen Waisen je wieder zu normalen Kindern entwickeln werden.
    Vielen Dank für Deine sechzig Geschenke. Ich finde sie alle schön, vor allem das Bild von Judy junior. Der eine Zahn gibt ihrem Lächeln eine freundliche Note. Es wird Dich freuen, daß ich Hattie Heaphy bei einer Pfarrersfamilie untergebracht habe, es ist eine liebe Familie. Sie haben nicht mit der Wimper gezuckt, als ich vom Kommunionsbecher erzählte. Sie haben sich das Kind gegenseitig zu Weihnachten geschenkt; und sie ist so glücklich fort-gegangen, festgeklammert an der Hand des neuen Vaters!
    Ich werde jetzt nicht mehr schreiben; denn fünfzig Kinder schreiben Dánkbriefe, und die arme Tante Judy wird, wenn der nächste Dampfer ankommt, unter ihrer Post begraben sein.
    Alles Liebe den Pendletons.
    S. McB.

    PS. Singapur sendet Togo Grüße, und es tut ihm leid, daß er ihn ins Ohr gebissen hat.

John-Grier-Heim,
    30. Dezember.
    O mein lieber Gordon, ich habe ein ganz bestürzendes Buch gelesen!
    Vor ein paar Tagen habe ich versucht, ein wenig Französisch zu sprechen, und da es nicht sehr gut ging, habe ich beschlossen, daß ich mich um mein Französisch kümmern muß, wenn es mir nicht ganz entschwinden soll. Glücklicherweise hat der schottische Doktor, den wir haben, meine wissenschaftliche Ausbildung aufgesteckt; daher habe ich ein wenig Zeit zu meiner eigenen Verfügung. Ein unglücklicher Zufall führte mich auf „Numa Roumestan“ von Daudet. Es ist für ein Mädchen, das mit einem Politiker verlobt ist, schrecklich beunruhigend. Lies es, lieber Gordon, und entwickele Deinen Charakter nach Kräften von Numas Charakter weg. Es ist die Geschichte eines Politikers, der verwirrend faszinierend ist (wie Du), der von allen, die ihn kennen, angebetet wird (wie Du); der auf die überzeugendste Weise spricht und wunderbare Reden hält (wieder wie Du). Alle verehren ihn und sagen zu seiner Frau: „Was für ein glückliches Leben müssen Sie führen, da Sie diesen wunderbaren Mann so nahe kennen!“
    Aber er, wenn er zu ihr nach Hause kam, war nicht mehr sehr wunderbar, sondern nur, wenn er Zuhörer und Beifall hatte. Er war bereit, mit jedem zufälligen Bekannten zu trinken und lustig und witzig und überströmend zu sein, um dann dumpf, verbiestert und niedergeschlagen heimzukommen.
    „Joie de rue, douleur de maison“, ist der Kehrreim des Buches. Ich habe es gestern bis Mitternacht gelesen, und offen gestanden, ich habe vor Angst nicht geschlafen. Ich weiß, daß Du Dich ärgern wirst, aber wirklich und wahrhaftig, mein lieber Gordon, es ist eine Prise zuviel Wahrheit daran, als daß es mich nur amüsieren könnte. Ich war entschlossen, nie mehr auf die unglückliche Sache vom 20. August zurückzukommen — wir haben sie damals gründlich durchgesprochen —, aber Du weißt ganz genau, daß Du ein wenig Obacht geben mußt. Und das ist mir ein ungutes Gefühl. Ich möchte in bezug auf den Mann, den ich heirate, ein Gefühl des absoluten Vertrauens und der Sicherheit haben. Nicht zu wissen, wann er nach Hause kommt, würde mich in einen ständigen Angstzustand versetzen.
    Lies „Numa“ selbst, dann wirst Du den Standpunkt der Frau verstehen. Ich bin weder geduldig noch sanftmütig, noch in irgendeiner Weise langmütig, und ich fürchte mich etwas vor dem, wozu ich imstande wäre, wenn ich herausgefordert würde. Mein Herz muß bei einer Sache sein, damit ich sie zum Funktionieren bringe, und ach, ich wünsche mir so, daß unsere Ehe funktioniert.
    Bitte verzeih, daß ich das alles geschrieben habe. Ich will damit nicht sagen, daß ich wirklich glaube, Du würdest eine „Freude der Straße und Trübsal des Heims“ sein. Nur habe ich gestern nacht nicht geschlafen und habe ein hohles Gefühl hinter den Augen.
    Möge das kommende Jahr uns beiden guten Rat, Glück und Ruhe bringen!

    Wie immer
    S.

1. Januar.
    Liebe Judy!
    Etwas schrecklich Sonderbares ist passiert, und ich weiß wirklich nicht, ob es wirklich passiert ist, oder ob ich es nur geträumt habe. Ich werde es Dir von Anfang an erzählen; und ich glaube, es ist besser Du verbrennst diesen Brief. Er ist nicht für Jervis’ Augen geeignet.
    Erinnerst Du Dich, daß ich Dir den Fall von Thomas Kehoe erzählte, den wir im Juni untergebracht hatten? Er hat von beiden Seiten her eine alkoholische Vererbung und scheint als Baby statt mit Milch mit Bier gepäppelt worden zu sein. Er ist neunjährig

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