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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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aufgebaut. Alle Fensterbretter und
     den Balkon habe ich mit schönem, künstlichem Schnee aus der Spräydose verziert. Auf die linke Seite vom Balkon habe ich wie
     immer unseren obligatorischen Schlitten mit vier Rentieren und einem Weihnachtsmann gestellt. In diesem Jahr klettert unser
     Weihnachtsmann ständig vom Balkon aus die Hauswand rauf und runter und singt dabei laut: »Oh du Fröhliche!« Die rechte Seite
     vom Balkon habe ich |266| ganz schlicht im Stil einer verschneiten Krippe in den Hochalpen dekoriert und mit mehreren farbigen Scheinwerfern geschmackvoll
     ausgeleuchtet.
     
    Als der große Tag dann gestern endlich da war, drehte sich unsere handgeschnitzte Räucher-Pyramide aus dem Erzgebirge putzig
     und vergnügt auf dem Fensterbrett vor sich hin. Die ganze Wohnung roch herrlich nach frischem Glühwein mit Zimt und Nelken,
     den ich selbst gebraut hatte. Und aus dem CD-Pläyer plätscherte ein wunderschönes Weihnachtslied, gesungen von Roberto Blanco.
    Kurz gesagt, unser Weihnachtsfest war nicht zu toppen! Es war alles sehr schön und besinnlich wie immer zu Weihnachten bei
     uns. Mit der ganzen Familie stellten wir uns im Kreis um unseren tollen, funkelnden und blitzenden Tannenbaum auf, fassten
     uns liebevoll an den Händen und sangen das schöne Weihnachtslied: »Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie schön sind deine Blääääätteeeerrr!«
    Und das genau siebenunddreißig Mal hintereinander, verdammt! Aber nicht für die nächsten sechsunddreißig Jahre im Voraus,
     sondern alles für dieses Weihnachten, weil dieser Möchtegern-Weihnachtsmann mit Schnurrbart sich immer noch nicht hatte blicken
     lassen! Für genau 19:15 Uhr hatte ich ihn bestellt, um 22:45 Uhr war der Mistkerl immer noch nicht da!
    Die Kerzen waren schon runtergebrannt, und ich war völlig besoffen, weil ich den ganzen Kessel mit Glühwein aus Frust inzwischen
     selber getrunken hatte. Und sogar Roberto Blanco war mittlerweile heiser geworden.
    Meine Frau Eminanim fing bereits um 21 Uhr an, mit mir zu schimpfen, wie ich denn um Himmels willen so blöd sein |267| konnte, einen türkischen Weihnachtsmann zu bestellen! Ob ich nach hundert Jahren in Alamanya denn immer noch nicht kapiert
     hätte, dass die Pünktlichkeit bei den Deutschen groß- und bei den Türken überhaupt nicht geschrieben würde! Mein Argument,
     dass mein Ururopa auch Türke ist und das alles trotzdem früher ganz alleine geschafft hat, beeindruckte sie überhaupt nicht.
    Meine kleine Tochter Hatice meckerte schon seit Stunden, dass sie endlich ihre Geschenke haben wolle und dass es ihr völlig
     egal sei, ob ich mich wieder als Weihnachtsmann verkleiden würde oder nicht.
    Um 23:12 Uhr klingelte das Telefon. Die freche Dame von der Trittbrett-Agentur war am Apparat und meinte, dass es leider so
     gekommen sei, wie es kommen musste, nämlich dass der türkische Weihnachtsmann, den ich bestellt hatte, sich aus dem Staub
     gemacht hätte. Woher sie das denn wisse, habe ich sofort gefragt. Weil die deutschen Familien, denen sie diesen Weihnachtsmann
     leider auch vermittelt hätte, bereits angerufen und sich beschwert hätten, meinte sie verärgert. Der türkische Weihnachtsmann
     hätte auch die ganzen Geschenke bei denen vor der Tür geklaut, ich solle mal gucken …
    Ich ließ sie natürlich nicht ausreden, sondern rannte sofort vor die Tür. Und tatsächlich, der Hundesohn hatte auch unsere
     Geschenke geklaut! Nur das Glas Wasser, das ich ihm als Geschenk hingestellt hatte, hatte er nicht angerührt!
    Die Dame von der Verbrecher-Agentur schimpfte mit mir, weil ich sie angeblich fürchterlich bedrängt hätte und sie deshalb
     keine Zeit gehabt hätte, diesen Gauner genauer unter die Lupe zu nehmen.
    |268| Meine Frau Eminanim schimpfte mit mir, nachdem sie erfahren hatte, dass auch unsere Geschenke geklaut waren, und meinte, das
     Ganze würde mir recht geschehen!
    Meine Tochter Hatice schimpfte auch wie ’n Rohrspatz mit mir und war felsenfest davon überzeugt, dass ich mit diesem ganzen
     Schwindel nur vertuschen wollte, dass ich keine Geschenke für sie gekauft hätte.
     
    Ich wusste nicht, worüber ich mich mehr ärgern sollte: darüber, dass ich von allen Seiten völlig zu Unrecht beschimpft wurde,
     oder darüber, dass meine teuren Geschenke weg waren, oder darüber, dass ich sinnlos siebenunddreißig Mal hintereinander »Oh
     Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blääääätteeeeerrr« geschmettert hatte! Es blieb mir nichts anderes

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