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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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übrig, als
     allen zu versprechen, dass ich, wenn die Geschäfte nach den Festtagen wieder offen haben, erneut losgehe und neue Geschenke
     für sie kaufe, frischen Glühwein mit Zimt und Nelken braue und die bereits geköpften Schoko-Weihnachtsmänner durch komplett
     unversehrte ersetze. Und dass wir dann am 29. Dezember erneut gemeinsam Weihnachten feiern.
    In vier Tagen müssen wir also ein etwas getürktes Weihnachtsfest feiern. Aber wie sagt man so schön: doppelt hält besser!
    Ob zwei Mal getürkt einmal deutsch ergibt?
     
    Lieber Onkel Ömer, ich küsse Dir, Tante Ülkü und allen Älteren in unserem schönen Dorf ganz herzlich mit großem Respekt die
     erfahrenen Hände und allen Jüngeren mit viel Liebe die hübschen, unschuldigen Augen.
    |269| Eminanim und die Kinder grüßen Euch selbstverständlich auch und küssen den Älteren mit viel Respekt die Hände und den Jüngeren
     mit viel Liebe die Augen.
     
    Pass gut auf Dich auf, bleib gesund, iss genug Knoblauch und danke fünfmal am Tag Allah, dass Du nie etwas zu »türken« brauchst,
     weil in der Türkei sowieso alles getürkt ist!
     
    Dein Dich über alles liebender Neffe aus dem sehr kalten Alamanya,

    PS: Lieber Onkel Ömer, Eminanim hat mir vorgestern noch einige Details über Ulviyanims (Ümmüyanims) Ehe verraten, nachdem
     ich ihr gedroht hatte, dass sie in diesem Sommer die ganzen Gurken alleine pflücken kann … ööhm, ist nicht persönlich gemeint.
     Na ja, jedenfalls sagte Eminanim, dass diese Ulviyanim (Ümmüyanim) während dieser schlimmen Zeit immer mit einem Kopftuch
     rumlief.
    »Kann ich mir denken«, sagte ich, »weil sie völlig allein, hilflos und diesem Tyrannen ausgeliefert war, suchte sie eben Schutz
     bei Allah!«
    »Ach, nein, sie ist nicht besonders gläubig. Sie versuchte damit nur die Spuren der Gewalt in ihrem Gesicht zu verstecken,
     die ihr rücksichtsloser Ehemann ihr ständig zugefügt hat«, sagte sie traurig.
    »Eminanim, ich sehe in letzter Zeit immer mehr Frauen verhüllt rumlaufen. Heißt das nun, dass es in unserer Gesellschaft immer
     mehr religiöse Frauen gibt oder immer mehr brutale Männer?«, fragte ich nachdenklich.
    |270| »Ich weiß es nicht«, runzelte Eminanim die Stirn und rief dann erleichtert, »ich bin nur froh, dass wenigstens Ulviyanim sich
     gerettet hat.«
    Lieber Onkel Ömer, ich glaube, wir müssen Allah fünfmal am Tag danken, dass wir nicht als Frauen auf die Welt gekommen sind
     – erst recht nicht in einem islamischen Land. Denn mit Kopftuch sähen wir sicher beide potthässlich aus.
     
    Lieber Onkel Ömer, das waren sie nun, alle meine Briefe, die Dir ein Jahr lang zeigen sollten, wie Deutschland funktioniert.
     Ich hoffe, Du wirst mich jetzt nicht mehr ständig damit nerven, dass Du hierherkommen willst, um alles mit eigenen Augen zu
     sehen. Nach einem Jahr mit einem Dauergast habe ich von Besuch nämlich erst mal genug! Außerdem würdest Du von den deutschen
     Behörden sowieso kein Visum bekommen.
    Und wie Alamanya tickt, weißt Du ja nun auch so. Zumindest weißt Du, wie ich in Alamanya ticke. Ich wünsche Dir jetzt natürlich
     süße und angenehme Träume – ohne mich! Gute Nacht!

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