Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
Vom Netzwerk:
durch den Kopf gehen... Ich brauche jemanden Normales um mich. Na ja, nicht allzu normal«.
    »Danke«, sagte ich und ging zum anderen Fenster.
    »Du weißt schon, was ich meine.«
    »Na klar.« Ich verbrannte mir den Gaumen, als ich versuchte, meinen Kaffee zu trinken. Mein Atem und der Kaffeedampf ließen die Scheibe beschlagen. Ich wischte mit der Hand am Fenster herunter.
    Das Haus stand ziemlich dicht an der Straße; ein hoher, spitzenbewehrter Eisenzaun trennte es vom Gehweg. Gegenüber lag ein kleiner, von Bäumen gesäumter Platz, in dessen Ecken braunes Laub zu großen Haufen zusammengefegt war. Wenn ich es mir recht überlegte, war die Idee gar nicht schlecht. Diese geräumige Alte-Welt-Pracht mußte doch besser sein als meine Betonbox unterm Himmel in Bow. Näher an der Stadt war es auch. Von hier aus fuhren die Leute mit dem Rad zur Arbeit. Ich hätte allerdings nichts, wohin ich mit dem Rad fahren könnte.
    Carla redete immer weiter. »Hör mal, das Haus ist bezahlt. Ich lasse eine zweite Telefonleitung hereinlegen, damit du arbeiten kannst, ohne daß meine Meute dir auf die Nerven geht... Was meinst du?«:j Es klang perfekt, aber ich antwortete nicht. Wir spähten beide durch die hohen Schiebefenster hinaus. Ich drückte die Stirn an das kühle Glas. Gern hätte ich die Augen geschlossen, um sofort einzuschlafen. Wieso zwang sie mich jetzt zum Nachdenken? Ich konnte mich nicht auf dieses Haus konzentrieren, denn ich dachte an das Leben, das ich in anderen Häusern geteilt hatte. Ich dachte an meinen Ex-Gatten Eddie Powers und seine Geliebte. Ich dachte an meinen Ex-Freund Warren Graham, der hinter mir aufgeräumt hatte — und dann nicht mal eingezogen war. Bei mir aufgeräumt. Mich ausgenüchtert. Mich gelinkt. Mich geliebt.
    »Hallo? Jemand zu Hause?« Ich wandte mich vom Fenster ab, und Carla hatte mir Kaffee nachgeschenkt. »Was hältst du davon?«
    »Wovon?«
    »Na, hier einzuziehen. Hast du nicht zugehört?«
    Überrascht sah ich, wie dicht sie vor mir stand. Sie sah so real und so solide aus, und ich ließ mich treiben. »Sorry... Danke. Aber nein danke.«
    »Wieso nicht?«
    Wieso nicht. Das war eine einfache Frage, aber die Antwort würde sehr kompliziert ausfallen. Ich konnte es jetzt wirklich nicht erklären. Ich wollte es nicht erklären. »Mir geht’s gut, wo ich bin«, sagte ich und schmiegte die Wange an die Fensterscheibe.
    Sie drängte nicht. Sie seufzte nur und ging hinüber zu ihrer Fensterbank, stemmte sich hoch, saß dann da und schaute hinaus. Die Morgensonne strömte herein und erfaßte den Staub mit ihren Lichtstrahlen. Unsere Schatten streckten sich weit über den sandfarbenen Boden. »Trotzdem nett hier, nicht?« Sie zog die Knie hoch und umschlang sie mit beiden Armen. »Uuuh, ich bin so gern reich!«
    Ja. Es war besser, als arm zu sein. Aber sie war nie arm gewesen, und ich auch nicht. Eigentlich nicht. Wir waren ein bißchen knapp bei Kasse gewesen, aber das war alles. Wir hatten nie gehungert, nie gebettelt, nie in einem Pappkarton unter einer feuchten Brücke schlafen müssen. Aber was hieß schon reich? Kaufkraft? Sachen erstehen? Häuser und Autos und Kleider? Carla war nur knapp bei Kasse gewesen, weil sie keinen anständigen Job hatte annehmen wollen. Sie hatte immer ihren Spaß gehabt. Nein. Nicht das Reichsein war es, was ihr so gut gefiel. Sie liebte den Glamour. Den liebte sie wirklich. Und das hätte sie sagen sollen.
    »Hast du Geldprobleme?« frage sie. »Ist es das? Ich hab’ doch gesagt, das Haus ist bezahlt. Ich würde dir
    keine Miete abnehmen.«
    Ich hatte keine Geldprobleme. Wirklich nicht. Es waren nicht viele, die bei dem großen Börsenkrach von 1987 gewonnen hatten, aber ich gehörte dazu, ohne daß ich es darauf angelegt hatte. Ich hatte mir weder ein Haus noch ein Auto gekauft. Ich hatte das Geld nur für meinen Lebensunterhalt ausgegeben. Meine Ersparnisse hatten sich ein Jahr lang als sehr nützlich erwiesen, seit ich meinen Job bei der Technology Week, der führenden Computerzeitschrift, gekündigt hatte. Ich hatte mit meinem Boß Krach wegen einer Story bekommen, und seitdem hatte ich nicht mehr gearbeitet. Nicht seinetwegen, sondern meinetwegen. Ich hatte keine Lust mehr, als Reporterin zu arbeiten, und ich hatte nicht mal angefangen zu überlegen, was ich sonst tun könnte. Statt dessen hatte ich mich ins sonnige Spanien verzogen und war erst nach London zurückgekommen, als die ersten rosa Blüten an den rußgrauen Bäumen erschienen waren.

Weitere Kostenlose Bücher