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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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meiner Natur auszuleben und eine Dummheit zu riskieren, wenn sie mir gerade in den Sinn kam? Warum kletterte ich nicht an der Dachrinne des Krankenhauses hoch und riss Marisa aus ihrem Bett? Warum entstieg ich nicht triefend nass der Themse und ließ es auf eine Keilerei mit Flops und Rowlie und möglicherweise sogar ihren Kindern auf ihrem Rasen ankommen? Damit ich vom Dach fiel, mir alle Knochen brach und selbst ins Krankenhaus eingeliefert werden musste? Damit mich Flops’ Jüngstes mit einem einzigen Nierenhaken niederstreckte? Na und?
    Ich war zu passiv geworden, sogar für einen Clown, deswegen blieb ich zu Hause, und deswegen blieben die Vorhänge geschlossen. Ich, der Gehörnte, hatte mich mit meiner närrischen Berufung selbst betrogen. Ich musste mich darauf beschränken, die Würde meiner Traurigkeit zu bewahren.
    Dafür ist es ein bisschen zu spät, Felix, dachte ich. Aber eigentlich war es für alles ein bisschen zu spät.
    Die Operation verlief so gut, wie man es von solchen Operationen erwarten kann. Marisa erholte sich in Richmond, und Rowlie war so freundlich, mich anzurufen und mir die Einzelheiten zu erläutern, aber ich begriff nichts oder wollte nichts begreifen. Ich wollte mir meine Marisa nicht anders vorstellen müssen als so, wie ich sie kannte. Unversehrt und gefährlich. Wieder also hatte sie mich durchschaut. Lange bevor Chirurgen irgendeine Rolle in ihrem Leben spielten, hatte sie mich gefragt: »Wie wird es dir gehen, wenn die Chirurgen mit mir fertig sind?« Und meine Antwort hatte gelautet: »Bestens.« Aber sie hatte recht daran getan, mir nicht zu glauben. Bestens ging es mir nur, solange ich nichts wusste.
    Sie schrieb mir ein paar SMS .
    Â»Alles halbwegs o. k.«, lautete die erste.
    Â»Bitte nicht«, lautete die zweite. Es war die Antwort auf meine SMS an sie: »Absurd dies alles. Komme dich besuchen.«
    Einmal rief sie mich an. Wir weinten beide ein bisschen. Das heißt, nein, ich weinte viel. »Wer weiß?«, das war die wesentliche Aussage. Wer weiß, wie gut es ihr ging oder wie gut es späterhin gehen würde. Aber sie sei nicht mehr dieselbe wie früher. Sie fühle sich schrecklich, und sie sehe noch schlimmer aus.
    Â»Wetten, nicht?«, sagte ich.
    Â»Doch. Und du? Was ist mit dir? Sorgst du gut für dich?«
    Â»Natürlich nicht. Es gibt mich nicht, wenn du nicht da bist. Um wen soll ich mich da kümmern? Wann kommst du nach Hause?«
    Â»So was darfst du mich nicht fragen, Felix.«
    Â»Na gut. Wann kann ich dich besuchen kommen?«
    Â»Das darfst du mich auch nicht fragen.«
    Meine Strafe. Stell mir keine Fragen.
    War das eine Prüfung? Wollte sie meine Entschlusskraft auf die Probe stellen? Setz deinen Willen durch, Felix. Setz deinen Willen gegen mich durch. Wenn das eine Prüfung sein sollte, dann fiel ich durch. Worum sie mich auch bat, ich tat es. Passiv. Mein Versagen, wie immer. Ein passiver Ehemann, wo sie einen aktiven gebraucht hätte.
    Meine Strafe war das Einzige, was ich wie ein Mann auf mich nahm.
    Natürlich sagte ich ihr, dass ich sie liebte und sie mir fehlte. Dass ich mir niemals verzeihen würde, nicht an ihrer Seite gewesen zu sein, als sie mich brauchte. Sie sagte, ich solle mir deswegen keine Vorwürfe machen. Es sei ihre Entscheidung. Und, ja, sie liebe mich. Aber sie sagte nicht, dass ich ihr fehle. Was ich so verstand, dass ich ihr tatsächlich nicht fehlte.
    Â»Wie lange willst du das noch durchhalten?«, wollte ich von ihr wissen.
    Â»Das darfst du mich nicht fragen.«
    Â»Weil du es nicht weißt? Oder weil du meinst, ich würde die Antwort nicht ertragen?«
    Â»Frag nicht.«
    War es meine Aufgabe, ihr zu sagen, dass Marius umgezogen war, zurück nach Shropshire, an den Ort, wo er die schlimmste Zeit seines Lebens verbracht hatte? Aber ich musste wohl davon ausgehen, dass sie es bereits wusste.
    Â»Sonst noch von jemandem gehört?«, fragte ich beiläufig.
    Aber sie ließ sich nicht täuschen. Es trat Schweigen ein, und im weiteren Verlauf stellte ich mir vor, dass sie den Telefonhörer in einigem Abstand vom Ohr hielt, um die Toxine abtropfen zu lassen, dort, wo sie ihrem ohnehin schon vergifteten Körper nicht weiter schaden konnten. »Das«, sagte sie nach einiger Zeit, »ist der Grund, warum ich nicht nach Hause zurückkehren kann.«
    Ich konnte mich nicht verändern – deswegen kam sie

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