Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
grob, ich weiß, dass du lügst, ich glaube dir kein Wort, und dann antwortet er, zwar beherrscht, aber mit kalter und giftiger Stimme, ich habe die Nase voll von deinem pathologischen Misstrauen, hörst du? Mir reicht’s, ich bin nicht bereit, so zu leben, du erstickst mich, und sie schreit, dann hau doch ab, wenn es dir reicht, ich will dich nicht mehr sehen, du hast mir versprochen, dass es nicht mehr passieren wird, versprochen hast du es, und er zischt, ich habe meine Versprechen alle gehalten, was willst du denn noch von mir, ich bin nicht für deine Hirngespinste verantwortlich. Ach so, das sind also alles nur Hirngespinste? Du willst mich für verrückt erklären? Ist es das, was du vorhast? Dann merk dir, diesmal wird es dir nicht gelingen, dich herauszureden, ich habe Beweise. Und ich werde plötzlich rot, als gelte die Beschuldigung mir, meine Wangen glühen, ich stehe vor der grau gestrichenen Metalltür und kämpfe mit mir, ich habe Angst, sie könnte plötzlich wütend aufgerissen werden, dann würde ich entdeckt, und ich gehe leise mit meinem Koffer die Treppe hinunter und lehne mich an die Hecke am Hauseingang.
Was soll ich tun, vielleicht warte ich ein paar Minuten und rufe dann an, das Klingeln des Telefons werden sie bestimmt hören, und bis ich erneut oben bin, werden sie sich beruhigt haben, ich muss Gili holen, unbedingt, seit sich diese Hürde aufgetan hat, ist meine Sehnsucht nach ihm wieder aufgeflammt, und damit der Zorn auf dieses mir fast fremde Paar, das mich davon abhält, mich mit meinem Sohn zu vereinen. Was tut er jetzt, sitzt er zusammengekauert in Jotams Zimmer, hören die beiden angespannt zu oder haben sie den Kindern ein Video angestellt, wie wir es getan haben, damit wir unseren Streit austragen konnten, und für einen Moment verwandelt sich mein Zorn in ein fröhliches Mitleid, die Ärmste, er betrügt sie also und sie erstickt ihn, und auf einmal empfinde ich, familienlos, wie ich bin, ein sonderbares Behagen. Wer braucht schon dieses klägliche Familienleben, mit neuem Hochmut schaue ich nun auf diesen Müll versteckter und offener Beleidigungen herab, auf diese Ansammlung kleiner Vergehen gegen die Menschlichkeit, wie angenehm ist es doch, dass ich mich mit niemandem streiten muss, ich hole mein Handy aus der Tasche, Oded und Michal Schefer, verlange ich bei der Auskunft, lass mir ihre soliden, ehrbaren Namen auf der Zunge zergehen, was haben sie mit den schändlichen Beschimpfungen zu tun, die sie sich gerade in diesem Moment gegenseitig an den Kopf werfen, so laut, dass sie sogar das Telefonklingeln übertönen und keiner abnimmt.
Und ich wähle erneut, ich werde nicht aufgeben, bis sie rangehen, aber dann ist plötzlich das Geräusch einer Tür zu hören, die laut und energisch zugeschlagen wird, und ich ziehe meinen Koffer hinter die Büsche und warte ruhig, bis ich seine schmale Gestalt sehe, die mit schnellen Schritten das Gebäude verlässt, als würde sie verfolgt, aber auf der Straße bleibt er stehen und schaut sich ruhig um, ich kann seine Augen sehen, die durch die tiefen Ringe größer wirken, seine schönen Lippen, er trägt einen grauen Wollpullover und eine helle Kordhose, und auf dem Rücken hat er einen großen Rucksack, ich betrachte ihn und höre mich auf einmal sagen, Oded, und mir fällt auf, dass ich zum ersten Mal seinen Namen ausspreche.
Sein herumirrender Blick richtet sich auf mich, als ich mein Versteck verlasse, ein paar Dornenzweige verfangen sich in meinen Haaren, ich reiße sie verlegen ab, ich war oben vor eurer Wohnung, um Gili abzuholen, versuche ich zu erklären, ihr habt mich nicht gehört, aber ich habe euch gehört, und er verzieht das Gesicht, wischt sich mit zitternden Händen den Schweiß von der Stirn und sagt hastig, ich ertrage es nicht mehr, er stößt die Wörter schnell aus, als habe er Angst, sie zu bereuen, es wird von Tag zu Tag schlimmer, und ich trete näher zu ihm und frage, wohin gehst du? Das weiß ich noch nicht, sagt er, und ich wundere mich über mich selbst, denn ich frage ihn, angetrieben von der Fremdheit der Stadt, von seiner Fremdheit, von der Fremdheit meines eigenen Lebens, willst du etwas mit mir trinken, und zu meinem Erstaunen sagt er, ja, warum nicht?
Warum nicht? Nun, ich könnte einige Gründe anführen, die dagegen sprechen, aber in diesem Moment gibt es nur dieses Ja zwischen uns, und so gehen wir nebeneinanderher wie ein Paar, das sich auf eine lange Reise aufmacht, nach Stunden sorgfältigen
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