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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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und versuchte, Leahs Blick zu meiden. Trotzdem war er sofort wieder dabei, Punkte zu sammeln: »Wenn ein Promi im Namen einer guten Sache andere verarscht? Klar ist das ’ne Story wert. Und weißt du, warum? Weil sich sonst jeder sagt: Wenn’s so ist, dann brauch ich nie mehr zu spenden. Und all die anderen, die korrekt sind und Spenden wirklich nötig haben, gehen leer aus. Oder wie seht ihr das?« Dabei schielte er zu Leah hinüber.
    »Wie wir das sehen? Das Image des Retters der Nation passt nicht zu dir, Geoffrey. Du willst dich an seinen verfluchten Namen dranhängen, und am liebsten wär’s dir, das Ganze ließe sich noch mit ’ner kleinen Sexaffäre würzen oder, besser, mit was Kriminellem. Hauptsache, die Auflage geht hoch, richtig?«
    »Absolut. Aber sag’s nicht weiter!«
    Leah hätte nicht genau sagen können, warum sie so gereizt reagierte. Schließlich waren Geoffreys Absichten, was Michael betraf, durchaus gut. Reichlich gut sogar. Er hatte sich freiwillig angeboten, Ersatzpapa zu spielen, hatte dem Jungen die Hand gereicht, was konnte sie mehr von ihm erwarten? Er musste dasnicht tun, irgendwie hatte es fast etwas Rührendes, etwas Umsorgendes, etwas, was sich jede Frau vom Mann ihrer Träume eigentlich erhoffte – trotzdem war sie aufgebracht. Gut, er hatte das Ganze ein bisschen forciert. Die »Na Kleiner, ich bin dein neuer Vater«-Kampagne war nicht gerade mit Feingefühl gestartet worden, noch dazu, ohne sich mit ihr abzusprechen. Aber das war nicht wirklich ein Problem.
    Was also brachte sie so gegen ihn auf? Leah wusste es nicht. Hätte sie etwas tiefer nachgebohrt, wäre es ihr möglicherweise gelungen, sich die Frage zu beantworten. Doch wollte sie das überhaupt? Die volle Wahrheit hätte sie zum jetzigen Zeitpunkt eher aus dem Konzept gebracht.
    E s schien, als schlingerte die »Hikari« immer noch orientierungslos durch das Wasser, doch sie näherte sich dabei unentwegt dem Gebiet, in dem sich die Gruppe von Buckelwalen befand.
    Die Intuition hatte die Japaner offenbar nicht verlassen.
    Als der schlaftrunkene Matrose im Ausguck der »Hikari« dessen gewahr wurde, kam Leben in ihn, sein Stakkato-Tonfall verriet den Inhalt seiner knappen Meldungen, die er in sein Walkie-Talkie brüllte, während die Besatzung jäh aus ihrer Starre erwachte. Der Kapitän eilte auf die Brücke, schnappte sich das Fernglas und suchte den Horizont ab. Weit und breit war nichts zu sehen, doch plötzlich hielt er inne, bewegte das Fernglas ein kurzes Stück zurück, und da stand sie, die Wolke aus feinem Wasserdunst, die beim Auftauchen aus dem Atemloch eines Wals schoss, der Blas. Das Sonar bestätigte die Entdeckung. Der Kapitän gab einen knappen Befehl an den Rudergänger, und die »Hikari« änderte ihren Kurs.
    In Windeseile hatten die Japaner das Geschütz von der Plane befreit, die es vor der Korrosion durch die salzige Luft bewahrensollte. Die Mannschaft machte sich fertig für den Kill. Der Harpunier hob eine Granate aus dem schweren Munitionskasten und schob sie ins Rohr. Anschließend checkte er das kilometerlange Nylonseil, das am Projektil befestigt war. Es hatte sich reibungslos abzuspulen, wenn es der Harpune in rasender Geschwindigkeit folgen würde. Ein kurzer Blick nach Backbord, und er sah die Schlauchboote, die über die Wellenkämme der »Hikari« entgegenschossen.
    Der erste Zodiac wurde von David gesteuert, Masao saß neben ihm und hielt sich mit dem Megafon bereit. Im zweiten war Steve am Steuer, während Sam versuchte, das todbringende Treiben an Bord mit seiner Videokamera einzufangen. Als sie die »Hikari« erreicht hatten, manövrierten die beiden Boote sofort vor deren Bug.
    David erkannte, dass der Harpunier sich bereithielt und nur auf das Auftauchen eines Wales wartete. Offenbar machte ihr Manöver keinen Eindruck auf die Besatzung, also wandte er sich schnell an Masao: »Sag denen, sie sollen abdrehen, hier ist Schutzgebiet! Sag denen, dass sie gegen das Gesetz der International Whale Commission verstoßen, wenn sie hier Wale jagen. Sag denen, auf der ›SeaSpirit‹ befinden sich Reporter von CNN, ABC, CBS, NBC – die ganze Palette!«
    Die Matrosen auf der »Hikari« waren zwar überrascht, ihre Muttersprache durch das Megafon zu hören, doch es schien sie in keiner Weise zu verunsichern oder von ihrem Vorhaben abzubringen.
    »Sag denen, dass im gleichen Moment, in dem die Harpune abgeschossen wird, eine Meldung an die kanadische Wasserschutzpolizei hinausgeht und sie

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