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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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das Meer rot färbte. Und weinte.
    Ketan bäumte sich auf vor Schmerz, mit seinem ganzen Gewicht wuchtete er einen Graben ins Meer. Das Blut schoss aus dem metertiefen Krater in seinem Rücken, den die Granate zerfetzt hatte, und verwandelte das dunkle Blau um ihn herum sekundenschnell in einen roten Brei. Die schweren Schläge seiner Flossen brachten den Brei zum Brodeln, während Ketan mühsam versuchte, durch ein Blasrohr zu atmen, das nicht mehr vorhanden war.
    Ein weiteres Projektil jagte ihm eine zweite, stärkere Leine in den Rücken, wieder barst die Granate, um Widerhaken freizusetzen, die sich dieses Mal tief in die Lungen gruben, während Ketan mit seiner Fluke Fontänen aus dem Wasser peitschte.
    David starrte fassungslos auf den Wal. Unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen angesichts der Vorwürfe, die in seinem Schädel hämmerten. Hätte er doch nur schneller reagiert. Aber er hatte nicht. Jetzt war er dazu verurteilt zuzusehen, wie sein Freund von einer Präzisionstötungsmaschine zerlegt wurde. Niemand konnte ermessen, was Ketan erleiden musste, bevor er den Verletzungen erlag. Niemand konnte ermessen, wie es  sich anfühlte, wenn das Seewasser die Lungen flutete. Niemand konnte sich die Qualen vorstellen, wenn Teile des Nervensystemszerfetzt wurden, wenn die Atmung auszusetzen begann und die durchtrennten Schlagadern, die das Gehirn mit Blut versorgten, gallonenweise ihren Inhalt ins Meer freigaben.
    Der Besatzung der »Hikari« war das egal. Endlich hatten sie Fleisch. Fleisch, das sie einfahren konnten, das sicherstellte, dass sich der rostige Bauch ihres Schiffes und die meterhohen Tiefkühlaggregate mit dem tranigen Gold anfüllen würden. Und es war genauso sicher, dass es nicht bei diesem einen Wal bleiben würde.
    Nachdem der Harpunier weitere Sprengschüsse auf Ketan abgefeuert hatte, näherte sich dessen grausiger Todeskampf dem Ende. An Bord der »Hikari« war bereits das knarrende Geräusch der Winde zu vernehmen, die gestartet wurde, um die Leine einzuholen.
    D ie Besatzung wirkte regelrecht berauscht von ihrem reichen Fang. Als Ketans sterbender Körper die »Hikari« erreichte, wurde vom Schiff aus eine bewegliche Klaue herabgelassen, deren stählerne Zangen sich in seinen Leib bohrten und ihn durch das geöffnete Heck zogen, bis er schließlich auf dem Flensdeck strandete. Männer in Gummizeug, mit messerscharfen Lanzen ausgerüstet und mit Spikes unter den Stiefeln, die ihnen auf dem unendlich lang erscheinenden Leib des Wales festen Halt sicherten, begannen sofort ihre Stangen in seinen Körper zu treiben. Taue wurden an die riesigen Placken seines aufgeschlitzten Leibes gelegt, um sie mit Hilfe von Winden aus seinem Körper zu reißen.
    In wenigen Stunden würde von Ketan nichts anderes mehr übrig bleiben als eingefrorene Filets. Der Rest würde auf dem Meeresgrund landen.
    »David«, meldete sich Joe von der »SeaSpirit« aus, die sichbis auf ein paar hundert Meter dem Walfänger genähert hatte. Seine Stimme klang brüchig. »Die machen weiter.«
    David hatte Mühe, die Lähmung, die ihn erfasst hatte, abzuschütteln, doch der Blick auf den Harpunier tat seine Wirkung. Schnell griff er zu seinem Funkgerät. »Joe, mach sie los!«
    »Schon über Bord. Knall sie ihnen vor den Latz.«
    Die Netze klebten an der Backbordseite der »SeaSpirit«, waren jedoch von der »Hikari« aus nicht zu sehen. Es waren gute, feste Netze. Treibnetze, die sie auf ihrer Reise durch die Meere eingesammelt hatten, ursprünglich endlose Kilometer lang, bis zu 500 Meter tiefe treibende Todesfallen, ehemals voll von Kadavern verendeter Seevögel, von Delfinen und unzähligen Arten von Fischen, die vergeblich versucht hatten, diesem Todesstreifen zu entgehen. Jedes Mal, wenn David solchen Netzen begegnete, ließ er die Maschinen stoppen und sie aus dem Meer ziehen, um zu verhindern, dass sie ihr grausames Werk bis in alle Ewigkeit fortsetzen konnten. Eine mühselige Arbeit, die sie Tage beschäftigte. Jetzt würden die Netze einem anderen Zweck dienen, einem guten Zweck.
    David war klar, dass Steve im zweiten Schlauchboot das Ganze nicht billigen und sich deshalb weigern würde, ihm dabei zu helfen. Also musste er das Vorhaben mit seinem Boot allein durchziehen, und er durfte dabei keine Sekunde Zeit verlieren, denn die »Hikari« machte sich bereit für den zweiten Kill.
    Der Motor bellte auf, als er auf die Backbordseite der »SeaSpirit« zuschoss, um dort das im Meer treibende Netz an einem Haken

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