Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
Plan funktionieren konnte.
Schließlich gab Jesahja das Zeichen zum Start. Lillis Kehle war so trocken wie Sandpapier. Mit leisen Schritten schlichen sich Jesahja, Lilli, King Olli und Captain Caruso nun an die Mauer heran, die das Haus des Millionärs umgab. Bonsai und Frau von Schmidt – das Publikum – beobachteten sie dabei. Lilli achtete genau auf jede ihrer Bewegungen, denn Jesahja hatte ihr eingeschärft, dass sie die Mauer nicht berühren durfte, weil diese durch eine Alarmanlage gesichert war.
Lilli blieb stehen und setzte King Olli ihren Rucksack auf. Wie es der Plan erforderte, sprang Caruso hinein.
»Also los, Kätzchen«, gackerte der Schimpanse, und schon kletterte er an dem großen Baum hinauf, der neben der Mauer stand. Lilli und Jesahja warteten unten und beobachteten, was über ihnen geschah: Der Schimpanse hangelte sich in schwindelerregender Höhe von Ast zu Ast.
Der Rucksack mit Captain Caruso darin schaukelte auf King Ollis Rücken bei jeder Bewegung hin und her. Lilli konnte kaum hinsehen.
»Sie schaffen es!«, flüsterte Jesahja, und im gleichen Moment erreichte der Affe einen von zwei Ästen, die über die Mauer hinüberragten. Ohne Angst balancierte er darauf entlang, bis er sich direkt über dem Wassergraben befand.
Nun zog King Olli den Otter, wie verabredet, aus dem Rucksack und setzte ihn auf den Ast. Caruso sah sich kurz um und fackelte nicht lange. Er schrie: »Flieg, Captain, flieg!« und stürzte sich kopfüber in den Wassergraben.
Lilli hielt die Luft an und begann im Stillen zu beten. Das kleine Tier fiel mehrere Meter in die Tiefe und landete dann mit einem leisen »Platsch!« im Wasser. Lilli konnte nun nichts mehr sehen, aber da sie direkt auf der anderen Seite der Mauer stand, hörte sie den kleinen Otter rufen: »Ha! Hier gibt es Fisch! Gegen einen leckeren Snack zwischendurch hat sicherlich niemand etwas einzuwenden …«
Lilli verdrehte die Augen und übersetzte Jesahja nicht, was sie hörte. Dann war alles still. Nach einigen Minuten wurde Lilli unruhig. Was, wenn irgendetwas schiefgegangen war und Caruso Probleme hatte?
Da erklang ein raues Knirschen, begleitet von einem leisen Summen. Die Brücke fuhr aus!
Lilli und Jesahja riefen gleichzeitig: »Er hat es geschafft!« und klatschten ihre Hände aufeinander.
Im nächsten Augenblick öffnete sich das elektrische Tor der Villa. Captain Caruso hatte ganze Arbeit geleistet.
Lilli winkte Bonsai und Frau von Schmidt aufgeregt heran, und die beiden folgten dieser Aufforderung auf der Stelle. Die Katze wirkte sehr zufrieden und gestand, ihre Müdigkeit sei nun »gänzlich bezwungen«. Als Nächstes lobte sie wortreich die »vortreffliche Präzision der Aufführung«, während Bonsai kläffte, die »Show« wäre »echt der Knaller« gewesen.
Lilli nahm King Olli, der sich inzwischen wieder zu ihnen gesellt hatte, an die Hand, und dann gingen sie alle gemeinsam durch das Tor. Auf der Brücke hoppelte ihnen Captain Caruso entgegen. »Mission erfüllt!«, zirpte er. »Durch das Fenster-Dings den Bau geentert, Kasten-Dings neben dem Eingang mit der Nase gedrückt, anderes Dings mit den Zähnen gezogen, drittes Dings mit der Pfote umgedreht.«
»Du bist der beste und mutigste Otter der Welt!«, rief Lilli und war furchtbar stolz auf das kleine Tier.
Jesahja lachte. »Ja, ich habe noch nie von einem Otter gehört, der eine Alarmanlage außer Gefecht gesetzt hat!«
An Jesahja gewandt sagte Lilli: »Du bist auch der Beste! Wenn du nicht das Telefongespräch belauscht hättest, in dem es um die Alarmanlage ging, und dir dann Kornelius’ Notizen zu der Anlage und der Brücke abgeschrieben hättest, wären wir aufgeschmissen gewesen.«
»Freu dich nicht zu früh.« Jesahja lächelte schwach. »Wir können zwar in die Villa rein, aber das Schwierigste kommt noch.«
Lilli blickte ihn fragend an, dann verstand sie. Ängstlich griff sie nach Jesahjas Hand, und seine Finger schlossen sich fest um ihre.
Gemeinsam mit King Olli, Captain Caruso, Frau von Schmidt und Bonsai betraten sie die Villa des Millionärs.
Die Befreiung
Magnus Obscuras Haus war äußerst edel eingerichtet. Von der Decke hingen riesige Kronleuchter herab, und an den Wänden prangten Fotos in goldenen Rahmen. Bei genauerem Hinschauen erkannte Lilli, dass auf allen Fotos das Gleiche zu sehen war: ein Mann im Safarianzug, der mit strahlendem Gesicht und einem Gewehr in der Hand neben getöteten Tieren stand. Auf einem Bild lag ein totes Zebra am Boden, auf
Weitere Kostenlose Bücher