Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
Schrei in Valerias Kehle nicht einmal entweichen konnte. Ein unvorstellbarer Schmerz brandete in ihrer Brust auf und überflutete ihren Körper. Sie riss die Augen auf und sackte nach vorne, direkt in Grigores Arme.
Er blickte voller Genugtuung auf sie herab. »Wir werden deine elende Sippschaft ausfindig machen und die Welt endgültig von euch befreien«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Er ließ Valeria achtlos zu Boden fallen, direkt neben ihr Handy, das immer noch eingeschaltet auf dem weichen Moos lag. Mit ihrem letzten Atemzug hörte Valeria Stefanescu die Stimme ihrer Tochter, die leise schluchzte: »Mama, sind die bösen Monster bei dir? Mama? Bitte sag doch was!«
1. Kapitel
»Juley, vierzehnter Tag nach Vollmond.
Wetter: Wärmer als gestern, was meine Ladyschaft als ›brutalheiß‹ bezeichnete.
Gesundheitslage: Ohrenschmalz zeigte heute leicht rötliche Tönung. Grund zur Sorge? Fähigkeit zur Immaterialisierung lässt weiter nach, was nach meiner Verbannung aus dem Schattenreich zu erwarten war.
Mahlzeiten: Konnte dem Hund wieder sein Futter klauen, woraufhin er mich zwei Stunden lang durch die Burg jagte. Großer Spaß. Des Weiteren eine tote Ratte im Keller aufgespürt, schon etwas älteren Datums, aber schmackhaft. Tätigkeiten: Mein neues Zimmer im Kerker mit Spinnweben (inklusive Spinnen) und Grabkränzen dekoriert. Wünschte, meine Ladyschaft würde mein außergewöhnlich gutes Stilempfinden teilen. Stattdessen hat sie ihr Himmelbett mit einem nachtblauen Vorhang geschmückt, auf den der motzige Magier echte funkelnde Sterne gezaubert hat – scheußlich, von so etwas bekomme ich Dämonenkrätze!
Erzählung aus dem Schattenreich: Heute keine Zeit für weitere Einträge, muss meine ›Ode an die Todesqual‹ vollenden. Bin jetzt schon überzeugt, dass es ein Meisterwerk wird!«
Eintrag aus Strychnins Dämonen-Tagebuch
M ildred!« Lilith strampelte hektisch mit den Beinen und schnappte nach Luft, was dazu führte, dass sie noch eine Ladung Salzwasser schluckte. So langsam war ihr speiübel. »Warum kann ich denn nicht in einem Pool schwimmen lernen? Es wäre viel einfacher, wenn dieses blöde Meer nicht so … wellig wäre.«
»Bleib ruhig«, ermahnte Mildred sie. »Du beherrschst die Technik perfekt, jetzt musst du nur noch deine Angst überwinden.«
Lilith warf ihr einen säuerlichen Blick zu. Ihre Tante lag entspannt auf dem Rücken, ließ sich wie eine Feder über die Wellen tragen und reckte ihr gebräuntes Gesicht in Richtung der tief stehenden Sonne. Obwohl es schon später Nachmittag war, sirrte die Luft vor Hitze und das Wasser des Atlantischen Ozeans umspülte sie mit einer angenehmen Wärme. Zu Liliths Unbehagen drangen ihre Fußspitzen jedoch bei jedem Schwimmzug in eine deutlich kühlere Wasserschicht ein, was sie daran erinnerte, dass sich unter ihr eine fremde und lebensfeindliche Welt verbarg. Mildred schien dieser Gedanke nicht im Mindesten zu beunruhigen, aber immerhin war sie auch eine Sirene und das Meer verstärkte ihre Kräfte. Man konnte kaum seinen Blick von ihrer Schönheit abwenden und ihre melodische Stimme besaß eine solche hypnotische Kraft, dass man sich Mildreds Willen nicht widersetzen konnte.
Nachdem Lilith vergangenen Winter fast in einem Weiher ertrunken wäre, hatte Mildred darauf bestanden, ihr in den Sommerferien das Schwimmen beizubringen, und dank ihrer Sirenenkräfte funktionierte dies besser, als Lilith erwartet hatte. Ihre Angst war wie weggeblasen und sie hatte in den letzten zwei Wochen alle Schwimmstile und das Tauchen erlernt. Nun hatte ihre Tante jedoch beschlossen, dass Lilith den ersten Versuch ohne ihre beruhigenden Sirenenworte wagen musste, was sich leider als totaler Fehlschlag herausstellte.
»Das Meer ist nicht dein Feind, kämpfe nicht dagegen an, du musst es nicht schlagen und treten«, sagte Mildred schon zum wiederholten Male. »Lass dich von der Strömung treiben, so wie ich!«
Lilith schüttelte den Kopf und öffnete den Mund, doch ihr vehement ausgestoßenes »Auf gar keinen Fall!« wurde von einer weiteren Welle verschluckt. Wenn das so weiterging, konnten die Wissenschaftler bald vermelden, dass das Steigen des Meeresspiegels überraschenderweise zum Stillstand gekommen war …
Sie blickte sehnsüchtig zum Ufer, das für ihren Geschmack viel zu weit entfernt lag. Schon lange bevor Lilith nach Bonesdale gekommen war und von der Welt der Untoten erfahren hatte, war ihr das Meer unheimlich gewesen, aber nun, da sie dank
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