Linda Lael Miller
um die Zähne aller Kinder im
Staat Montana zu ruinieren.
Bei dem
Anblick weiteten sich ihre Augen.
»Da ist
genug«, erklärte er. »Mein Bruder Micah wohnt sehr weit von hier entfernt in
Colorado, darum sieht Ma seine Söhne nie. Wes hat nie geheiratet, und soweit
wir wissen, hat er auch keine Kinder. Also bleibt nur Gracie übrig, und Ma hat
sie vom ersten Tag an verwöhnt.«
Juliana
trat einen Schritt zurück, damit Lincoln die Schranktür wieder schließen
konnte. »Das gefällt Ihnen nicht?«
»Was?«
Sie wurde wieder
einmal rot. Sehr bezaubernd.
»Dass Ihre
Mutter so viele Geschenke für Gracie kauft.«
Darüber
dachte er einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er. »Wahrscheinlich
nicht. Aber es scheint ihr nicht zu schaden – Gracie, meine ich –, und meine
Mutter ist eine ziemlich energische Frau. Es ist meistens besser, ihr ihren
Willen zu lassen.«
Als
Nächstes machte Juliana einen Schritt auf den Ofen zu, entweder um sich zu
wärmen, oder um etwas Abstand zu ihm zu gewinnen. Was sie dann sagte, warf ihn
völlig aus der Bahn.
»Das Bureau
of Indian Affairs wird mich wahrscheinlich ins Gefängnis stecken.«
»Weshalb?«,
stieß er gepresst aus.
»Ich sollte
die Kinder nach Missoula in eine andere Schule schicken«, erklärte Juliana. »Joseph
und Theresa haben eine Familie, ein Heim, Menschen, die sich nach ihnen
sehnen. Daisy und Billy-Moses würden wahrscheinlich in einem Waisenhaus landen.
Ich konnte das einfach nicht ertragen.«
Sanft legte
er ihr eine Hand auf die Schulter und versuchte, den Schauer zu ignorieren, der
ihn bei der Berührung durchfuhr. »Ich werde die Fahrkarten für Joseph und
Theresa bezahlen«, erklärte er. »Aber woher wollen Sie wissen, dass das Bureau sie nicht wieder aus ihrer Familie herausreißt?«
Dankbarkeit
und Erleichterung zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab. »Die Mühe werden sie
sich nicht machen«, erwiderte sie im Brustton der Überzeugung. »Das würde zu
viel Zeit in Anspruch nehmen und zu viel kosten.«
»Die beiden
Kleinen – sie haben niemanden?«
»Nur mich.
Ich hätte sie nicht so lieb gewinnen dürfen – davor wurde ich immer gewarnt,
bevor ich anfing, zu unterrichten. Aber ich konnte einfach nicht anders.«
Lincoln kam
eine Lösung in den Sinn – immerhin war er Anwalt –, doch es wäre verfrüht,
jetzt schon davon anzufangen. Wie von allein löste sich seine Hand von ihrer
Schulter und legte sich an Julianas Wange. Sie wehrte sich nicht.
»Nach
Weihnachten«, sagte er sehr leise, »werden wir einen Weg finden, die Sache in
Ordnung zu bringen. Und in der Zwischenzeit warten zwei Truthähne im Baum auf
uns, ein Christbaum und ...«, er deutete auf den Schrank, ,,... genügend Geschenke,
um Santa Claus stolz zu machen. Vergessen wir alles andere fürs Erste.«
Sie blickte
zu ihm. »Sie sind ein bemerkenswerter Mann, Lincoln Creed. Ein bemerkenswerter
Mann mit einer bemerkenswerten Tochter.«
Ein wenig
unbehaglich und zugleich erfreut entgegnete er: »Wir sollten jetzt besser zu
Abend essen.«
Juliana
lächelte. »Das denke ich auch.«
Das Abendessen war eine laute
Angelegenheit mit so vielen Menschen um den Tisch. Und zu Julianas
Überraschung – sie zwang sich zu probieren, um den Kindern ein gutes Beispiel
zu geben – stellte sich das Bärenfleisch als äußerst köstlich heraus.
Tom und
Joseph wuschen ab, während Gracie sich in den Schaukelstuhl hockte und mit hoch
über dem Boden baumelnden Füßen fehlerfrei aus Oliver Twist vorlas.
Während
Juliana das Feuer im Ofen für die Nacht löschte, warf sie Tom einen
verstohlenen Blick zu und stellte fest, dass er mit großem Interesse lauschte.
Gracie las
so lange, bis sie einschlief – Billy-Moses und Daisy lagen schon längst im
Bett, Lincoln hatte sie ins Schlafzimmer getragen, auf jedem Arm ein Kind. Tom
wirkte etwas enttäuscht, sodass Joseph das Buch sanft aus Gracies Fingern löste
und dort weiterlas, wo sie aufgehört hatte.
Juliana hob
Gracie aus dem Schaukelstuhl, und ein kleiner Schmerz fuhr in ihr Herz, als der
Kopf des Kindes auf ihre Schulter sank.
Im Gang
traf sie auf Lincoln. Sie dachte, er würde ihr Gracie abnehmen, doch
stattdessen trat er zur Seite und sah ihr stumm hinterher, wie sie seine
Tochter ins Bett brachte. Auf dem Nachttisch brannte eine Lampe, und Theresa,
den Kopf in ein dickes Kissen gelehnt, las eines von Gracies vielen Büchern.
Juliana
stellte Gracie auf die Füße, half ihr aus dem Kleid und ins Nachthemd.
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