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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: In einer zaertlichen Winternacht
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sie zu beruhigen.
    Wie
sollte ich keine Angst haben? John hatte
ihr während der kurzen und langweiligen Verlobungszeit höchstens einmal die
Hand getätschelt oder sie hastig auf die Wange geküsst. Aufregenderes war
nicht geschehen.
    Wieder
nickte sie, dann drehte sie sich um und ging.
    Lincoln hatte keine Lust, noch länger
Zeitung zu lesen. Der Stillwater Springs Courier erschien einmal die
Woche, vorausgesetzt Wes kam dazu, die Artikel zu schreiben und den Text zu
setzen. Oft genug war das nicht der Fall, aber wenn er etwas zu sagen hatte,
dann schrieb er sehr gute, sarkastische Artikel. Lincoln las sie mit großem
Vergnügen. Himmel, sogar einige der Todesanzeigen waren witzig, und seine
Kolumne hielt die ganze Stadt in Atem.
    Seufzend
schob Lincoln die Zeitung zur Seite und stand auf. Er trug seine und Julianas
Tasse zum Spülbecken. Dann stand er da und starrte durch das Fenster an seinem
eigenen Spiegelbild vorbei in die Dunkelheit.
    Schneeflocken
schwebten vom Himmel. Er fragte sich, ob sie liegen bleiben oder bis morgen
früh geschmolzen sein würden.
    Er fühlte
sich ruhelos. Einerseits war er nicht müde genug, um sich jetzt neben Juliana
hinzulegen und seine Finger bei sich zu behalten. Er hatte eine Ehefrau gewollt
– eine Frau, die sein Bett teilte, ihm weitere Kinder gebar und Gracie eine
liebevolle Mutter war –, doch keine, die sein Herz berührte. Nein, so etwas
hatte er nicht geplant.
    Resigniert
wandte er sich zur Tür, nahm Hut und Mantel vom Haken und verließ leise das
Haus.
    Er lief am
Plumpsklo vorbei, an der Hütte der Gainers, an den Schlafbaracken. Die
Nachtluft war kalt, sie schien durch ihn hindurch zu fegen wie ein
unerbittlicher Wind.
    Für seinen
Weg brauchte Lincoln keine Laterne. Obwohl der Mond hinter den Wolken verborgen
war, spendete er doch genug Licht, und der Schnee glitzerte. Davon abgesehen,
lebte er seit seiner Geburt auf dieser Ranch. Er hätte auch mit geschlossenen
Augen alles gefunden, was er suchte.
    Er gelangte
zur Obstplantage – vor Jahren, als sie Jungen gewesen waren, hatten er, Micah,
Wes und Dawson geholfen, die Apfel- und Birnbäume zu pflanzen. Hinter der
Plantage lag der kleine Friedhof, wo sein Vater, sein Bruder, die beiden
verstorbenen Babys und Beth begraben waren.
    Achtlos
ging er an Josiah Creeds Grab vorbei und auch an Dawsons, obwohl er seinen
Bruder noch immer sehr liebte.
    Beth' Grab
war mit einem Steinengel verziert. Lincoln wischte den Schnee von Schultern und
Flügeln. Dann ging er in die Hocke und fuhr sich mit dem Unterarm über das
Gesicht. Wie oft war er schon hierhergekommen, um mit Beth zu sprechen? Und
immer schien es noch mehr zu geben, was er ihr erzählen wollte.
    Dabei war
sie nicht einmal hier.
    Gracie
glaubte daran, dass ihre Mutter im Himmel war.
    Lincoln
aber wusste einfach nicht, wohin tote Menschen gingen oder ob sie überhaupt
irgendwohin gingen. Höchstwahrscheinlich endete die Reise einfach nur in einer
Holzkiste unter der Erde, doch das würde er Gracie natürlich niemals sagen.
    »Ich habe
heute geheiratet«, begann er. Obwohl er sich albern vorkam, hatte er das
Bedürfnis, die Worte laut auszusprechen. »Ihr Name ist Juliana, und Gracie ...
Gracie möchte sie Mom nennen.«
    Wenn dieses
Grab so etwas wie ein Tor zwischen dieser und der nächsten Welt gewesen wäre,
hätte Beth sich bereits zurückgekämpft und wäre aus ihrem Sarg gestiegen, um
ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Er stieß ein heiseres Lachen aus.
    »Ich habe
dich geliebt«, sprach er ernst weiter. »Und ich werde dich wahrscheinlich immer
lieben. Aber ich bin viel zu einsam, Beth, und Gracie auch. Ich möchte neben
jemandem aufwachen, ich möchte, dass jemand auf mich wartet, wenn ich nach
einem langen Tag auf der Ranch nach Hause komme. Ich möchte, dass Gracie von
einer Frau erzogen wird, damit sie nicht eines Tages Zigarren raucht, so wie Ma
befürchtet. Ich weiß, dass du mich nicht hören kannst und dass es dir nicht
gefallen würde, was ich sage, wenn du mich hören könntest. Aber ich musste es
einfach loswerden.«
    Als er sich
wieder aufrichtete, fragte er sich, was er eigentlich erwartet hatte. Eine
Antwort? Beth' Geist, der ihn von seinem Versprechen erlöste, niemals sein Herz
an eine andere Frau zu verschenken?
    Hinter sich
hörte er einen Ast knacken – und beinahe rechnete er schon mit jenem Geist,
obwohl er sofort wusste, dass es Tom war. Wenn der alte Indianer nicht gehört
hätte werden wollen, dann hätte Lincoln ihn auch nicht

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