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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Sie sitzt weit vorne, nur ganz am Rand, so, dass ich sie bis jetzt nicht wahrgenommen habe. Wir schauen uns an, sie lächelt …  
    …  
    Die Pause irritiert die Leute. Zum ersten Mal, seit das riesige grüne Rüdigergesicht auf der Leinwand zu sehen ist, beachten sie mich. Na gut. Ich schaue wieder unheimlich drein und starre den Tisch an. Nur die Worte kommen mir nicht über die Lippen. Stattdessen fängt mein Mund an, meine Melodie zu summen. Es ist leise genug im Raum, dass sie bis in den hintersten Winkel gehört wird. Was tue ich da? Ich sehe aus den Augenwinkeln, dass Reinardo mitzuwippen beginnt. So schlecht kann es nicht sein. Ich fange seinen Blick auf und wiederhole die Melodie. Er holt seine Gitarre unter dem Tisch hervor und beginnt zu spielen. Und er findet so sicher und selbstverständlich die richtigen Töne, wie es nur ein alter südamerikanischer Bossa-Nova-Gitarrist kann, der schon auf jeder Hochzeit, jedem Strand und jedem Parkplatz dieser Welt gespielt hat. Und wenn ich eben noch nicht genau wusste, warum mein Mund angefangen hat zu summen, jetzt weiß ich es. Der Text ist da! Zumindest der Anfang. Jetzt oder nie!  
    Ich summe die Melodie einmal mehr zu Ende und beginne von vorne. Meine Mephisto-Stimme ist weg und eine andere Stimme ist da. Ich kenne sie nicht. Sie ist zusammen mit dem Text tief von innen gekommen. Reinardo lächelt und zupft weiter, xman41 und die anderen sitzen vor ihren Zapfhähnen und machen schon wieder große Augen, während hinter mir der riesige grüne Rüdigermund auf- und zuklappt und dabei freundlich den Takt hält. Hier stehe ich, Mephisto in Lederhosen und Pinklbräu-Schürze, lächerlicher Kasper, bis auf die Knochen gedemütigt, einzige Verbündete mein Lied, ein alter Bossa-Nova-Gitarrist und Lenas große Augen. Doch es reicht.  
    Wär es ein Baum, ein großer Stein  
    Ein Sumo-Ringer und sein Verein  
    Es wäre alles viel zu klein  
    Um zwischen uns im Weg zu sein  
    Wär es ein Bach, spräng ich ganz weit  
    Und nasse Sachen trocknen mit der Zeit  
    Es wär auch leicht, wär es ein See  
    Nur ist das, wovor ich steh  
    Ein Beeeeeeerg  
    Doch mir egal, ich grab und grab  
    So lang ich eine Schaufel hab  
    So lang ich eine Schaufel hab  
    Hm, »grab« und »Schaufel hab« … Muss man vielleicht noch bisschen dran feilen. Aber so im Ansatz …  
    Den Rest der Strophe summe ich wieder, und Reinardo setzt einen leisen Schlussakkord, der so schön ist wie ein Sommerabend am Strand. Das Einzige, was noch schöner ist, sind Lenas Augen, die mich ohne Pause ansehen, in denen ich genau in diesem Moment für immer rettungslos ertrinke.  
    Dann geht alles sehr schnell. Das riesige Rüdigergesicht verschwindet plötzlich. Sogar ich, der nichts außer Lenas Augen sieht, bekomme es mit, weil mit dem Gesicht auch der grünliche Lichtschein im Raum verschwindet. Zuerst geht ein erstauntes Murmeln durchs Publikum, an das sich gerade wieder erwartungsfrohe Stille anschließen will, als ein grauenhafter Schrei die Luft durchschneidet.  
    »DAS INTERNET IST WEG!«  
    Dies waren letzten Worte, die zu verstehen sind. Was auch immer danach noch gerufen wird, geht in ohrenbetäubendem Kreischen unter. Stühle fallen um, Gläser zerbrechen, alles ist aufgesprungen und drängt zum viel zu kleinen Ausgang. Wer stürzt, wird niedergetrampelt.  
    Ich kann Lena nicht mehr sehen, aber ich arbeite mich mit Händen, Füßen und meinen Mephisto-Hörnern zu der Stelle durch, an der ich sie aus den Augen verloren habe. Sie liegt am Boden und hat die Augen geschlossen. Franziska steht neben ihr und versucht sie so gut es geht vor dem mörderischen Tumult abzuschirmen. Ich dränge mich an ihre Seite.  
    »Sie wurde von einem iPad am Kopf getroffen. Hier.«  
    Franziska zeigt mir die kleine Beule an ihrer Stirn. Zum Glück sind wir weit vom Ausgang entfernt und das Chaos um uns herum lässt allmählich nach. Ich nehme Lenas Kopf in beide Hände und rede sanft auf sie ein. Es dauert etwas, aber dann gibt sie erste Lebenszeichen von sich. Zuerst ist es ein Zittern in den Augenlidern, dann höre ich einen tiefen Atemzug und sie öffnet die Augen. Sie sieht mich und lächelt.  
    »Bleib schön liegen, Lena. Du hast was an den Kopf gekriegt.«  
    »An den Kopf?«  
    »Sieht nicht schlimm aus, aber ich glaube, wir holen lieber doch einen Arzt. Bleib ganz ruhig.«  
    Im nächsten Moment wird das Licht im Raum wieder grünlich. Wir schauen alle drei auf die Leinwand. Das

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