Lisa
erfahren hat. Gar nichts, sagt er. Der Kerl bleibt dabei, er behauptet, er war allein. Kann sein, dass noch jemand da war, aber gesehen hat er niemanden in der Nacht. Unsere Lisa hat er nicht gesehen.
Und du glaubst ihm das? frage ich. Und Hilgert: Er könnte die Wahrheit sagen, ja. Und ich: Aber das ergibt keinen Sinn. Und er: Mir brauchst du das nicht erzählen.
Wir haben zu dem Zeitpunkt: Ein paar Einbrüche. Ein paar Diebstähle. Ein paar viehische Morde. Ein paar abgeschnittene Haare, ein paar Tattoos. Einen abgehackten Vorderfuß, dessen Besitzer von nichts weiß. Wir haben zwei Typen, die nichts gestehen und von keiner Frau etwas wissen wollen. Wir haben einen Typen, der gesteht und von keiner Frau etwas wissen will.
Hilgert war ziemlich niedergeschlagen. Wenn der gewusst hätte, was noch auf ihn zukommt.
…
Ich stelle mich kurz unter die Dusche, Fortsetzung folgt danach. Heute wird es entweder eine sehr lange Sitzung oder bald vorbei sein. Ich dusche, schenke mir einen Whisky ein und bin zurück.
…
Ich werde wirklich bald verrückt. Gibt es eine Krankheit, die sich durch Assoziationszwang äußert? Ich sehe ein bekleidetes Schwein in diesem Kalender am Klo und muss sofort an die Geschichte von Kathas Oma denken, die seit siebzig Jahren allen Menschen, die sie trifft, erbarmungslos erzählt, was sie in der Nacht geträumt hat, und mir hat sie an dem Tag, an dem ich sie das erste Mal gesehen habe, erzählt, dass sie in der Nacht im Traum nackt war und durch Saumist laufen musste. Überall Saumist, bis zu den Knien Saumist! hat sie geschrien. Fünfmal, zehnmal, Saumist, Saumist, Saumist! Da wusste ich, mit der werde ich mich gut verstehen.
Und gleich die nächste Assoziation. Geht um eine Frau, die ich bei einem Ball kennengelernt habe, ich glaube, es war der Reitlehrerball oder der Pfortenball der Jugend, die verwechsle ich oft. Auch eine Schweinemetapher. Mit derFrau habe ich über tausend Sachen geredet, habe mit ihr getanzt, habe eine Flasche Sekt bestellt und hinterher noch eine. Schließlich haben wir es wissen wollen. Angenehm, wenn man gerade keinen Partner hat, da kann man sich spontanen Gelüsten reuelos hingeben.
Wir fahren also zu ihr. Oder nein, ins Hotel, ich habe damals ja in diesem Zeitungsausträgerhotel gehaust, wo überall die Spritzen herumgelegen sind und die psychisch Kranken sich aufgeschnitten und in die Gemeinschaftsdusche geschissen haben. Wir ziehen uns die stinkigen Kleider aus, geduscht haben wir nicht, ich küsse ihren Wein- und Zigarettenmund, sie legt sich hin, spreizt die Beine, grinst mich an und sagt: Welches Schweinderl hätten S’ denn gerne?
Ich habe fünf Minuten gelacht, ich habe mir meinen Ständer weggelacht. Aber dann ist es doch gegangen. Diese Frau war später der erste Mensch, den ich kannte, der von heute auf morgen tot war. Ein Jahr darauf erfahre ich, sie hatte einen Unfall mit ihrer giftgrün gespritzten Vespa.
Ich nehme an, ihr versteht den Unterschied. Wenn Oma und Opa sich zum Sterben niederlegen, ist das furchtbar. Wir weinen, wir können lange nicht loslassen und werden sie unser Lebtag vermissen. Aber sie waren alt. Bei einem jungen Menschen ist das anders. Wenn jemand, mit dem wir hochlebendige Dinge getan haben, mit einem Mal nicht mehr existiert, bleibt auch für uns die Zeit stehen. Wir hören der Welt beim Drehen zu, und wir hören ihre Unerbittlichkeit.
…
Bravo, jetzt habe ich vor lauter Assoziationen die Assoziation vergessen, die ich eigentlich erzählen wollte.
…
Ich wollte etwas über die Frauen sagen, die als nächstes erwischt worden sind. Die offenbar zusammen mit Lisa in diesem nigerianischen Altersheim gemeuchelt haben. Ich weiß nicht, ob es ein Altersheim war oder eine Art soziales Zentrum, jedenfalls wohnten darin ausschließlich alte Leute.
Holy moly, haben die da drin gefuhrwerkt! Darüber ist bei uns nicht viel in den Zeitungen gestanden, denn was interessiert uns, was in Nigeria passiert? Lisa und ihre Freundinnen hängen vorne ein Schild raus, auf dem VORÜBERGEHEND GESCHLOSSEN steht. Sie machen alles dicht und fangen in aller Seelenruhe an, die Leute abzumurksen. In der üblichen mitfühlenden Art bringen sie sie aber nicht einfach um, sondern quälen sie vorher noch anständig.
Ich will gar nicht viele Worte darum machen. Jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn man Leute auf einen Pfahl setzt. Angeblich ist das dort Tradition. Also nicht Tradition, ich meine nicht, dass es dort Tradition ist, Leute
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