Lloyd, Sienna
haucht mir dann einen Kuss auf die Hand und steigt in seinen Wagen. Lächelnd sehe ich ihm noch eine Weile hinterher. Seine Worte haben mich wirklich berührt. Ich habe dieses Buch aus vielerlei Gründen geschrieben. Meine persönliche Geschichte hat sich mit der Geschichte der Menschen und der der Vampire verwoben und ich habe gemerkt, dass ich darunter leide, dass es so wenig Verständnis zwischen den beiden Zonen gibt. Ich habe die leise Hoffnung, dass es einen Weg der Annäherung, vielleicht sogar einen Weg der Vereinigung der Zone der Sterblichen und dem roten Viertel geben kann. Ich fühle wie es in der Zone der Sterblichen immer mehr brodelt. Die Tags auf den Häuserwänden, die Plakate ... Vorher war mir dieser unterschwellige Hass nie bewusst geworden, aber jetzt sehe ich die argwöhnischen Reaktionen, wenn ich mich im roten Viertel aufhalte und mir ist klar geworden, dass der Frieden zwischen den beiden Zonen von zerbrechlicher Natur ist.
Ich befürchte eine Zunahme des Extremismus und habe große Angst um Gabriel und all die anderen, die mir hier ans Herz gewachsen sind. Wenn ich mit meinem Buch auch nur wenig verändern kann, dann war es all das schon wert.
***
Als ich Mélanie abhole, ist sie schon vollkommen hysterisch vor Aufregung wegen der Einladung aufs Schloss. Sie hat mir im Laufe des Tages schon mindestens zehn SMS geschickt. Verdutzt sieht sie mich an und macht dann einen Wink mit dem Kopf zu meinem Smart.
„Also ich hatte ja gehofft, dass du mich in einem Zweisitzer abholst, aber ich hatte eher an einen Porsche gedacht!“
„Nun sei mal nicht so snobistisch. Der Wagen fährt sich tausend Mal leichter als ein Porsche.“
„Na klar. Ein Jogurt ist ja auch nicht gefährlich. Also du bist wirklich keine Abenteurerin, Héloïse!“
Ha, wenn sie wüsste wie sehr sie sich täuscht! Die letzten drei Monate bezeugen das Gegenteil.
„Ich freue mich, dir heute Abend alle vorzustellen.“
„Ich auch! Und keine Angst, ich werde dich nicht blamieren. Ich habe meine Schulaufgaben gut gemacht: Magda, Solveig, Antoine, Gabriel, Charles und die Hexe.“
„Ha, ha, ha. Die Hexe heißt Rebecca, aber ich bezweifle, dass du sie wirklich herausfordern möchtest, wenn du sie erst einmal kennen gelernt hast. Sie ist ziemlich einschüchternd.“
„Ach, ich werde einfach so tun, als wäre sie Luft. Außerdem bin ich ja hauptsächlich gekommen, um Gabriel kennenzulernen.“
„Du meinst Charles?“
„Nein, nein. Oder okay, ihn natürlich auch. Aber ich möchte vor allem den Mann kennenlernen, der meine intellektuelle Freundin in eine Sexbombe verwandelt hat.“
„Sehr lustig. Offiziell triffst du meinen Mäzenen. Bitte bedenke das, ja? Und da zwischen uns nichts mehr ist, sieh ihn bitte nicht den ganzen Abend mit diesem Aha-das-ist-also-der-Ex-von-Héloïse-Blick an. Okay?“
„Wie konnte er sich nur für die Hexe entscheiden!“
„Was soll ich dir dazu sagen ...“
Auf dem Weg zum Château stellt Mel mir noch tausend Fragen. Wie können sie tagsüber raus? Warum essen sie? Wie ist das rote Viertel? Ein Schmunzeln huscht mir über die Lippen, als ich daran denken muss, wie ich selber vor noch kurzer Zeit auf all das reagiert habe. Ich habe den Eindruck, dass Jahre seitdem vergangen sind und dass heute ich diejenige bin, die sich auskennt ...
Magda steht schon wartend in der Eingangstür und Mélanie hat sie innerhalb von wenigen Sekunden verzaubert. Mit diesem tollen Lächeln auf den Lippen nimmt Mélanie einfach jeden sofort ein! Solveig, die, seit sie schwanger ist, nur noch voller Liebe und Wohlwollen für andere ist, empfängt meine Freundin mit der gleichen Herzlichkeit wie Magda. Im nächsten Augenblick höre ich sie schon über mein Aussehen reden und wie gelungen Mélanie meine „Verwandlung“ findet.
„Eine tolle Leistung, Solveig! Ich kenne Héloïse schon von der Uni und ich sage dir sie war ein ungeschliffener Diamant. Sie zog sich einfach furchtbar an. Das kann man sich gar nicht vorstellen!“
Rebecca und Gabriel gesellen sich zu uns. Ich wundere mich ein wenig über die gute Laune von Rebecca. Rücksichtsvoll und äußerst freundlich stellt sie Mélanie lauter Fragen zu ihrem Leben und hat sie nach ein paar Sätzen vollkommen für sich eingenommen. Gabriel wirft mir einen neutralen, aber freundlichen Blick zu. Ich reiße mich zusammen, damit keiner etwas von meinen Gefühlen bemerkt, doch als Rebecca ihre Hand auf seinen Oberschenkel legt, fällt es mir schwer meine
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