Locke greift an
Kugel klatschte an den Pfosten. Locke ballte die Faust wie einst Boris Becker beim Tennis. Glück gehabt. Tom musste ins Gehäuse.
Joe Kaller ging bestimmt auf zehn Meter Entfernung zum Ball. Dann: Was für ein Anlauf! Als wollte er Tom mit dem Ball durch das Tor jagen. Ein Mordsschuss. Tom reagierte
prächtig. Eine Hand bekam er noch irgendwie an das Geschoss, aber davon abgelenkt, sprang das Leder dann doch in die Torecke.
»Irgendwie bin ich froh, dass unser Torwart jetzt die - ses Shootout nicht mehr gewinnen kann«, kommentierte Thölle lakonisch. »Ich sehe es nicht so gerne, wenn der Torhüter zum Punkt im Spiel anläuft.« Er wandte sich an Locke. »So, alle Trümpfe liegen jetzt in deiner Hand oder besser gesagt, in deinem Fuß. Also, wenn du das Ding verwandelst, bist du automatisch unser neuer Elfmeterschütze auf dem Platz. Jetzt bin ich gespannt, ob du die Nerven hast.«
Komisch, in diesem Augenblick wurde es dem sonst so selbstbewussten Locke doch etwas mulmig. Alle Mannschaftskollegen und ein paar Trainingszaungäste schauten zu. Sicher keine große Kulisse, aber doch verspürte er eine gewisse Anspannung.
Sorgfältig legte Patrick Schubert den schwarz-weiß gezeichneten Ball auf den Punkt. Joe Kaller versuchte, sich im Tor größer zu machen, als er war. Er pumpte sich geradezu auf. Machte sich ganz breit.
Wie schmal ein Tor von sieben Meter zweiunddreißig doch plötzlich sein kann, ging es Locke kurz durch den Kopf, dann lief er an. Es war ein wunderschönes Gefühl, wenn der Ball am Spann entlanglief und genau die Richtung nahm, die man gewünscht hatte. Wie ein tanzendes Geschoss ging der Schuss etwa zehn Zentimeter halbhoch neben dem linken Pfosten ein und landete. Joe war in die bedrohte Ecke geflogen und hatte dennoch keine Chance gehabt. Patrick Schubert war der Elfmeterschütze von Schalkes U15-Mannschaft für das nächste Spiel!
Beifall kam auf, der von Thölles Stimme aber locker übertönt wurde. »Klare Angelegenheit. Gratulation, Locke,
du hast den Wettbewerb gewonnen und Feierabend für heute!«
Donnerstag. Keine Termine. Kein Training, keine Bandprobe. Donnerstag war Eva-Tag. (Matz nannte den Donnerstag gemeinerweise »Ehetag …«)
Schon gegen halb drei tauchte Eva bei Locke auf. Sie hatten vor, sich einen Film im Kino anzusehen. Doch als Erstes gingen sie mit dem immer zotteliger werdenden Poldi eine Runde spazieren. Aber was war bloß heute? Poldi zerrte wie wild an seiner Leine. Eigentlich war das ganz gegen seine Erziehung, denn die Familie Schubert hatte es durch einen Besuch in der Hundeschule hinbekommen, den vierbeinigen Freund gut für den Alltag zu erziehen.
»Was hat er nur?«, fragte sich Eva. »Er ist doch sonst nicht so wild, liegt es vielleicht daran, dass sein Namensgeber Podolski bei den Bayern nicht Stammspieler geworden ist?«
»Was du alles über Fußball weißt …« Patrick grinste. »Aber ich glaube eher, dass Poldi hier irgendwo eine Katze wittert. Das ist ungefähr so, als ob ein Schalker einen BVB-Fan aus Dortmund erblickt. Da wird man schon mal unruhig.«
Eva verzog den Mund. »Eure Rivalität ist manchmal ziemlich albern. Klar, ihr wollt gegen die immer gewinnen, weil es euer Reviernachbar ist. Und schon aus Tradition werden die Spiele gegen die Schwarz-Gelben besonders heftig. Aber dass sich manche Leute deshalb den Kopf einhauen, finde ich schon extrem blöd.«
Erstaunlicherweise nickte Locke und gab seiner Freundin uneingeschränkt recht. »Stimmt, kloppen ist doof, aber Lästern macht Spaß.«
Sie hatten jetzt die Kleingartenanlage erreicht, in der Patrick seinen Poldi gefunden hatte. Oder besser: Poldi hatte ihn gefunden, damals, als er dort sein Lauftraining absolvierte. Plötzlich war der Hund aufgetaucht und Patrick nicht mehr von der Seite gewichen, bis er ihn endlich mit nach Hause genommen hatte.
Eva leinte Poldi ab und der Hund stürmte davon. Er sprang über einen niedrigen Gartenzaun und verschwand im Gebüsch. Eva und Locke schauten sich erschrocken an. Das hatte der Hund noch nie gemacht.
Patrick brüllte: »Pooooooldiiiii!«
Aber Poldi war nicht mehr zu sehen. Ratlos standen die beiden vor dem Gartentor.
»Hallo«, rief Eva, »ist hier jemand?« Doch es rührte sich nichts und auch aus dem kleinen Gartenhaus kam keinerlei Geräusch. Entschlossen kletterte Patrick über den Zaun. Rasch versuchte er, ein paar Zweige des Gebüschs, in dem der Hund verschwunden war, auseinanderzubiegen. Dabei stach er sich an den spitzen
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