Locke greift an
Dornen in die Hand, die sofort zu bluten begann.
»Er ist nicht hier«, rief Patrick Eva zu. »Aber hinter dem Strauch ist gleich wieder ein Zaun, zum Nachbargrundstück, mit einem großen Loch. Poldi muss in den nächsten Garten gelaufen sein. Kannst du mal auf der Rückseite nachschauen, ob er da irgendwo ist. Ich warte so lange, vielleicht taucht der Spinner ja wieder auf.«
Eva rannte aufgeregt um das Grundstück herum. Aber auch dort war von Poldi nicht die geringste Spur. Sie rief und wartete zwei, drei Minuten, aber umsonst. Schließlich lief sie wieder zurück.
»Ist er bei dir aufgetaucht?«
Traurig kam ein »Nein!« zurück.
Beide wurden jetzt doch etwas nervös. »Was sollen wir
machen?«, fragte Locke und sah Eva an. Doch die hatte auch keine Antwort. Beide suchten nochmals das gesamte Gelände ab - ohne Erfolg. Poldi blieb verschwunden.
4
W as ist passiert?« Entsetzt hörten Patricks Eltern, was er und Eva erzählten. Frau Schubert schüttelte den Kopf. »Was kann Poldi denn dazu gebracht haben, einfach wegzulaufen?« Sie sah in die bedrückten Gesichter der beiden vor ihr. »Vielleicht steht er ja gleich vor der Tür und will reingelassen werden.« Sie versuchte ein Lächeln, um Patrick und Eva aufzuheitern. »Oder vielleicht hat er ja eine schöne Hundedame gewittert, ist ihr nach und erlebt gerade ein Liebesabenteuer.«
Aber der Witz zündete nicht recht. Locke verzog nur kurz den Mund und schüttelte dann seinerseits den Kopf. Ratlos schwiegen alle vier für einen Augenblick.
Dann übernahm Herr Schubert die Initiative. »Wir sollten wieder Steckbriefe aushängen, wie damals, als uns Poldi zugelaufen ist.«
Gesagt, getan. Gemeinsam setzten sie sich an den Computer. Nach wenigen Minuten war ein kleines Plakat entstanden. Unter einem sehr schönen Foto von Poldi stand zu lesen:
GESUCHT!!! ENTLAUFEN!!!
MISCHLINGSHUND IN DER KLEINGARTENANLAGE
OVERHOFSTRASSE VERSCHWUNDEN!
WER POLDI FINDET,
ERHÄLT EINE BELOHNUNG VON 50 EURO!!!
HINWEISE AN FAMILIE SCHUBERT
TELEFON 02 09 - 4 14 14
Sie durften keine Zeit versäumen. Als ein Stapel der Zettel ausgedruckt war, rief Patrick seinen Freund Matz an, der alles stehen und liegen ließ und augenblicklich zu ihnen in die Overhofstraße kam. Kaum war er da, rannten die Jungs und Eva los und verteilten in sämtlichen Supermärkten und Geschäften der Umgebung die Ausdrucke, hängten sie an jeden zweiten Baum.
Die Stimmung war sehr gedrückt, denn Poldi war allen ans Herz gewachsen. Beinahe wortlos wurde die Arbeit vollendet und der Abend war natürlich gelaufen. Gemeinsam saßen die drei anschließend in Lockes Zimmer und warteten gespannt auf Anrufe. Aber das Telefon blieb stumm. Nach Stunden des vergeblichen Wartens trennten sich die Freunde deprimiert.
Die Schule am Freitag war eine echte Qual. Die Stunden zogen sich wie Kaugummi. Locke dachte ständig an Poldi. Ihm fiel nochmals ein, wie ihm damals der Hund in der Kleingartenanlage zugelaufen war. Zunächst waren seine Eltern von dem neuen Hausbewohner nicht gerade begeistert gewesen, Poldi hatte es aber verstanden, die Herzen aller schnell zu erobern.
Clever kuschelte er mit Patricks Vater, und tat zumindest so, als ob er alle Anweisungen von Frau Schubert verstehen würde. Lediglich eine Sache konnte man Poldi nicht abgewöhnen. Heimlich schnappte er sich manchmal das gesamte Schuhwerk der Familie und kaute darauf herum. Es verblieben stets Spuren an den Schuhen nach dieser Spezialbehandlung. Einer von Poldis Schneidezähnen war etwas krumm und schief, was sich deutlich auf den misshandelten Tretern abzeichnete. - Aber auch wenn er wegen dieser »Angewohnheit« manchmal Ärger bekommen hatte, war er nach kurzer Zeit der Star der Familie geworden.
Wo konnte der Hund nur stecken? Er war noch nie weggelaufen. Sofort nach Schulschluss beeilten sich Matz, Eva und Locke, in die Overhofstraße zu kommen. Ob wohl jemand angerufen hatte? Doch die Situation war unverändert. Herr Schubert saß daheim am Wohnzimmertisch, sah von seiner Zeitung auf, als die drei hereinstürmten, und hob bedauernd die Schultern. Niemand hatte sich gemeldet.
»Ich habe auch die Polizei über das Verschwinden von Poldi informiert«, berichtete er, »aber die haben nichts von einem zugelaufenen Hund gehört.«
Erstmals seit langer, langer Zeit stiegen Patrick Tränen in die Augen. Verstohlen wischte er sie weg. Eva nahm ihren Locke tröstend in die Arme. Eine Geste, die man sonst eher selten bei ihnen sah …
Auch Vater
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