Lockende Zaertlichkeit
sah.
"Was ist denn hier passiert?" fragte sie verwundert. "Hast du heute Nacht Albträume gehabt?"
Olivia wurde rot und hätte sich vor Verlegenheit am liebsten unter die Bettdecke verkrochen. Doch Sally war kein kleines Mädchen mehr, dem man etwas vormachen konnte.
"Im Gegenteil, ich habe sogar sehr gut geschlafen", antwortete sie und fragte Sally, ob sie ihren Vater heute schon gesehen habe, um vom Thema abzulenken.
Sally verdrehte die Augen. "Ja. Er meckert wieder jeden an, der ihm in die Quere kommt. Simon ist gerade bei ihm."
Olivia blickte auf die Uhr, und ihr Herz klopfte wild. Es war noch nicht einmal halb neun, und Simon war schon hier. "Geht es ihm nicht gut?" fragte sie besorgt. War die leidenschaftliche Nacht doch zu viel für Marcus gewesen?
Sally zuckte die Schultern. "Frag mich nicht. Daddy erzählt mir doch nie etwas."
Olivia biss sich auf die Lippe. Irgendetwas konnte nicht stimmen, sonst hätte Marcus Simon nicht so früh hierher gerufen.
"Er sieht ein bisschen müde aus, aber sonst scheint er in Ordnung zu sein", fuhr Sally fort. "Bist du immer noch entschlossen wegzugehen?"
Olivia seufzte auf. "Wenn dein Vater seine Meinung inzwischen nicht geändert hat, bleibt mir wohl nichts anderes übrig." Sie hatte so gehofft, dass diese Nacht vielleicht etwas geändert hatte, doch offensichtlich war das nicht der Fall.
"Olivia?"
"Ja?"
"Daddy ist heute Nacht bei dir gewesen, stimmt's?"
Olivia errötete erneut. "Ja", gab sie widerstrebend zu. "Es hat wohl keinen Sinn, dir etwas vorzumachen."
"Weshalb solltest du das auch tun?" fragte Sally unbekümmert.
Olivia lächelte sanft. "Du hast Recht. Aber trotzdem sollst du wissen, dass deine Großmutter mit ihren Anschuldigungen in Bezug auf mich und deinen Vater Unrecht hatte. Marcus und ich hatten bisher keine Affäre. Und heute Nacht ... na ja, da ist es eben passiert. Aber weißt du, mit einem Mann zu schlafen löst keine Probleme. Männer denken anders über Sex als Frauen ..."
"Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass es Daddy nichts bedeutet hat, mit dir zu schlafen?" wandte Sally ein. "Wenn du das von ihm glaubst, kennst du ihn aber schlecht."
"Sally, ich..."
"Du hast ihm schon vor sechs Jahren viel bedeutet, und ich glaube nicht, dass sich das geändert hat."
"Aber Sally, Marcus erinnert sich nicht einmal an mich."
Doch Sally schüttelte den Kopf. "Da wäre ich mir nicht so sicher."
"Wie dem auch sei, es ändert nichts an der Tatsache, dass ich gehen muss."
"Das werden wir ja sehen!" rief Sally entschlossen und ging zur Tür. "Ich werde mit Daddy reden."
Olivia versuchte nicht, sie zurückzuhalten. Marcus würde ihr schon sagen, dass er seine Meinung nicht geändert hatte. Olivia legte gerade die letzten Kleidungsstücke in den Koffer, als plötzlich die Tür aufging und Sybil Carr vor ihr stand.
"Endlich scheinen Sie es begriffen zu haben", bemerkte sie verächtlich. "Jetzt wissen Sie, dass Sie in Marcus' Leben nichts zu suchen haben."
Olivia erwiderte fest Sybil Carrs Blick. "Das hat damit nichts zu tun, Mrs. Carr. Ich gehe, weil Marcus keine
Krankenschwester mehr braucht."
"Und keine Geliebte wie Sie!"
"Mrs. Carr ..."
Sybil Carr lachte höhnisch auf. "Marcus ist Ihrer diesmal sogar noch schneller überdrüssig geworden als vor sechs Jahren.
Aber so ist er eben, mein Schwiegersohn. Mit Ruth hat er es damals genauso gemacht."
Olivia runzelte die Stirn. "Wieso mit Ruth? Ich dachte, Marcus hätte sich mit ihr versöhnt?"
Sybil Carr schüttelte den Kopf. "Sie sind noch naiver, als ich dachte, Miss King. Wussten Sie denn nicht, dass es gar keine Versöhnung gegeben hat? Obwohl Sie wochenlang das Bett mit Marcus geteilt haben?"
Olivia hatte das Gefühl, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen, und ihr wurde so schwindlig, dass sie sich am Stuhl festhalten musste. "Aber ... aber Sie haben doch gesagt
... Als ich angerufen habe und Marcus sprechen wollte, da haben Sie gesagt, er habe sich mit Ruth versöhnt und wolle gerade mit ihr ausgehen ..."
Sybil Carr sah sie verächtlich an. "Ich habe nur gesagt, was Sie von mir hören wollten, Miss King. Sie wollten ja nicht einmal mehr mit Marcus sprechen, als ich Ihnen anbot, ihn zu rufen."
"Aber Ruth war doch gerade bei ihm! Am selben Tag habe ich sie sogar mit Marcus gesehen - vor dem Krankenhaus!"
"Das mag schon sein", bestätigte Sybil Carr ungerührt. "Sally war auf dem Schulweg in einen Unfall verwickelt und dabei ernsthaft verletzt worden. Nur deshalb ist Ruth
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