Lockende Zaertlichkeit
was in unserer Macht stand. Aber wir konnten ihr nicht mehr helfen."
Olivia schüttelte den Kopf. "Es ist trotzdem nicht fair."
"Das ist das Leben selten." Marcus reichte ihr das Taschentuch. "Schneuzen Sie sich mal die Nase. Danach wird es Ihnen besser gehen."
"Ich ... ich nehme mein eigenes Taschentuch", erwiderte Olivia stockend. Nun, da der erste Schock vorüber war, wurde ihr erst bewusst, wie absurd die ganze Situation war. Sie stand hier mit Marcus Hamilton im Klinikpark und ließ sich von ihm trösten! "Es ... es tut mir Leid", sagte sie stockend. "Ich ... wollte mich nicht bei Ihnen ausweinen."
"Sie haben noch nie erlebt, wie ein Patient gestorben ist, nicht wahr?"
"Nein."
"Glauben Sie mir", gestand Marcus Hamilton unvermittelt,
"auch wir Ärzte leiden darunter, wenn einer unserer Patienten stirbt. Gewöhnen kann man sich an so etwas nie."
Olivia sah ihn verwundert an, und da erst fiel ihr auf, dass auch ihm die psychische Anspannung anzusehen war. Er war blass, und Schatten lagen unter seinen Augen. "Das ... das wusste ich nicht", antwortete sie irritiert.
Marcus lächelte sanft. "Die meisten Menschen glauben, Ärzte
- und ganz besonders Chirurgen - hätten ihren Patienten gegenüber keine Gefühle. Aber das stimmt nicht."
"Es ... es tut mir Leid, Dr. Hamilton", wiederholte Olivia betroffen. Sie hätte nie gedacht, dass der Tod der alten Dame Marcus genauso nahe gehen würde wie ihr selbst.
"Aber Sie sind immer noch nicht überzeugt, stimmt's?"
Olivia runzelte die Stirn. "Wie meinen Sie das?"
"Sie können sich nicht vorstellen, dass ich genauso empfinde wie jeder normale Mensch auch."
"Oh...ich..."
Weiter kam Olivia nicht, denn plötzlich zog Marcus sie an sich und küsste sie fordernd.
"Dr. Hamilton!" keuchte sie, als er sie schließlich freigab.
"Jetzt sind Sie schockiert, stimmt's?" meinte er leicht spöttisch.
"O nein ... ich ..." Olivia wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie war nicht schockiert von diesem Kuss, sondern nur überrascht. Aber er hatte ihr gefallen. Es war der Kuss eines erfahrenen Mannes gewesen, und er hatte Gefühle in ihr geweckt, die ihr neu waren.
"Aber ich bin es", sagte Marcus schroff. "Meine Tochter ist nur sechs Jahre jünger als Sie."
"Und mein Vater fünfzehn Jahre älter als Sie", konterte Olivia spontan. "Also tun Sie nicht so, als könnten Sie mein Vater sein."
Da lächelte Marcus amüsiert. "Eins zu null für Sie, Olivia.
Anscheinend muss mich ab und zu jemand daran erinnern, dass man mit dreiunddreißig noch nicht alt ist." Dann wurde er wieder ernst. "Aber jetzt sollten Sie nach Hause gehen. Und glauben Sie mir, Mrs. Bateson ist jetzt dort, wo sie sein wollte bei ihrem Mann."
Olivia nickte. "Vielen Dank, Dr. Hamilton - für alles."
"Es war mir ein Vergnügen." Marcus lächelte noch einmal, dann drehte er sich um und ging zurück ins Haus.
Olivia war froh, dass sie nach Mrs. Batensons Tod nur noch einen Tag arbeiten musste und danach vier Tage hintereinander frei hatte. So war ihr wenigstens etwas Ruhe vergönnt, um sich von dem Schock zu erholen. Wie fast immer verbrachte Olivia ihre freien Tage im Schwesternwohnheim. Zu ihren Eltern nach Wales fuhr sie nur sehr selten, weil sie sich nicht besonders gut mit ihnen verstand und jedes Mal in Streit mit ihrem Vater geriet, wenn sie nach Hause kam.
Mrs. Batesons Beerdigung fand an Olivias drittem freien Tag statt, und sie hatte sich vorgenommen, zu der Bestattung zu gehen. Olivia stand gerade an der Bushaltestelle, die sich direkt vor der Klinik befand, als plötzlich ein großer, eleganter Wagen vor ihr hielt.
"Darf ich Sie mitnehmen, Olivia?"
"Dr. Hamilton ..."
Er lehnte sich hinüber und öffnete die Beifahrertür. "Steigen Sie ein."
"Aber ich..."
"Ich fahre auch zu Mrs. Batesons Beerdigung. Bitte steigen Sie jetzt ein, sonst verursachen wir noch einen Stau."
Als Olivia die Autoschlange hinter Marcus' Wagen sah, folgte sie seiner Aufforderung, und Marcus reihte sich wieder in den Verkehr ein.
"Sie sehen hübsch aus, wenn Sie keine Schwesternkleidung tragen", sagte er unvermittelt.
"Danke", antwortete Olivia verunsichert, und ihr Herz schlug schneller. Wie attraktiv Marcus Hamilton war, wenn er lächelte!
"Obwohl ich zugeben muss, dass Ihnen die
Schwesternuniform auch hervorragend steht."
Olivia wurde knallrot vor lauter Verlegenheit. Seit dem Kuss im Klinikpark hatte sie Marcus nicht mehr gesehen, und nun wusste sie nicht, wie sie sich verhalten sollte.
"Wir fahren zur einer
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