Lockende Zaertlichkeit
Beerdigung, Olivia", scherzte er, als er ihr Unbehagen bemerkte. "Nicht zu mir nach Hause."
"Ja ... Dr. Hamilton."
"Sie dürfen mich ruhig Marcus nennen."
Da Olivia wusste, dass sie als Schwesternschülerin im ersten Lehrjahr einen Arzt in Marcus' Position unmöglich beim Vornamen nennen konnte, schwieg sie für den Rest der Fahrt.
Als sie schließlich vor der Friedhofskirche hielten, half Marcus ihr beim Aussteigen.
"Wenn Sie früher gehen möchten, brauchen Sie es nur zu sagen", bot er höflich an. "Dann bringe ich Sie gern wieder zurück."
Der Gottesdienst war kurz und schön, und als Olivia wenig später mit Marcus vor Mrs. Batesons Grab stand, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Da reichte ihr Marcus ein großes weißes Taschentuch, und sie nahm es dankbar an.
"Daran könnte ich mich gewöhnen", flüsterte er ihr zu, und als sie es ihm zurückgeben wollte, schüttelte er lächelnd den Kopf. "Behalten Sie es. Vielleicht brauchen Sie es noch."
Als die Beerdigungszeremonie vorüber war, lud Mrs.
Batesons Tochter Marcus und Olivia zum Kaffee mit der Trauergemeinschaft ein, doch Marcus lehnte höflich dankend ab.
Die sympathische Frau lächelte verständnisvoll. "Gehen Sie ruhig, Dr. Hamilton. Ich weiß ja, wie beschäftigt Sie und Schwester King sind. Wir sind schon froh, dass Sie überhaupt kommen konnten."
Olivia stellte überrascht fest, dass sich niemand darüber wunderte, dass sie zusammen mit Marcus Hamilton gekommen war. Normalerweise war es ganz und gar nicht üblich, dass ein Arzt in seiner Position sich mit einer Schwesternschülerin abgab.
Während der Rückfahrt zum Krankenhaus schwieg Olivia.
Sie konnte immer noch nicht fassen, dass sie zusammen mit dem
"großen" Dr. Hamilton im Wagen saß.
"Wie wäre es mit einer Tasse Tee?" bot er unvermittelt an und riss Olivia aus ihren Gedanken.
"N-nein, danke", lehnte sie sofort ab. "Ich muss zurück zur Klinik."
"Und weshalb?"
"Wie bitte?"
"Warum müssen Sie jetzt schon zurück? Sie haben doch heute frei." Marcus warf Olivia einen kurzen, prüfenden Blick zu. "Oder haben Sie noch eine Verabredung?"
"Woher wissen Sie, dass ich frei habe?" fragte Olivia verblüfft.
"Sonst wären Sie ja nicht hier, oder?"
"Ach so, natürlich." Olivia errötete erneut. Sie hätte Marcus'
Angebot für ihr Leben gern angenommen, hätte gern mehr über seine zerrüttete Ehe und seine kleine Tochter erfahren. Aber es ging nicht. Zu groß würde hinterher das Gerede am Arbeitsplatz sein, und sie, Olivia, würde darunter leiden müssen. "Ja, ich habe eine Verabredung", log sie deshalb. "Vielleicht ein andermal."
"Ja", erwiderte Marcus angespannt. "Vielleicht ein andermal."
Olivia merkte ihm deutlich an, dass er enttäuscht war, aber was hatte er erwartet? Er mochte es vielleicht ganz amüsant finden, sich die Zeit mit einer kleinen Schwesternschülerin zu vertreiben. Aber sie würde sich hinterher mit dem
Krankenhaustratsch herumschlagen müssen. Erst als Olivia wieder in ihrem Zimmer war, fiel ihr ein, dass sie ja noch Marcus' Taschentuch hatte. Sie würde es waschen und ihm bei der nächsten Gelegenheit zurückgeben. So würde sie wenigstens einen Grund haben, ihn wieder zu sehen.
Und die Gelegenheit kam bereits am nächsten Arbeitstag.
Olivia trat gerade auf den Gang, da sah sie Marcus aus Schwester Marions Büro kommen.
"Dr. Hamilton, warten Sie bitte einen Moment!" Olivia lief auf ihn zu und reichte ihm das ordentlich zusammengefaltete Taschentuch. Er nahm es schweigend und schob es in die Brusttasche seines Arztkittels.
Olivia sah ihn verunsichert an. "Ich ... ich möchte mich nochmals bei Ihnen bedanken. Für das Taschentuch und ... dass Sie mich mitgenommen haben."
"Keine Ursache", erwiderte Marcus mit ausdrucksloser Miene, und dann fügte er kühl hinzu: "Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden ..."
Olivia stand nur da und sah ihm fassungslos nach. Wie konnte er sie nur so stehen lassen? Noch nie hatte sie von einem Menschen eine derartige Abfuhr bekommen. Olivia war wütend und enttäuscht und nahm sich fest vor, den "großen" Marcus Hamilton nie wieder zu belästigen. Aber trotzdem musste sie noch den ganzen Tag an ihn denken. Weshalb hatte er sie nur so kühl abserviert? Olivia fand keine Antwort und zog sich nach der Arbeit frustriert ins Schwesternwohnheim zurück.
Kaum war sie in ihrem Zimmer, da wurde sie von einer Mitbewohnerin ans Telefon gerufen. Olivia stöhnte auf.
Wahrscheinlich war es wieder ihre Mutter, die sich
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