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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Sternderl sieht, wo gar keine sind. Und wie er so daliegt mit seinen Schmerzen, die seinen Körper martern, wie er sich fragt, wie sehr er in seinem Leben eigentlich noch leiden muss und ob vielleicht doch einmal das Ende von der Fahnenstange erreicht sein wird, da muss er sehen, dass alle Augen von der Punschhütte her auf ihn gerichtet sind, dass aber unter all den Augen weit und breit keines ist, das ihn einfühlsam oder gar mitleidig anschaut. Der Biermösel spürt vielmehr, dass dort am Wegesrand keiner steht, der sich seiner erbarmen und ihm das Schnäuztuch reichen möchte, damit er sich den Schnee aus dem Gesicht wischen und wieder Mensch werden könnte anstatt Schneemann. Hoffentlich, denkt der Biermösel im Angesicht dieser geballten Kaltblütigkeit, hoffentlich ist von denen keiner bei der Freiwilligen Feuerwehr oder gar beim Roten Kreuz!
    Besonders bitter und schmerzhaft: Der Biermösel sieht insbesondere auch keine Sünderin, die ihn an der Hand nehmen und ihn in ihre warme Stube samt offenem Kamin und Schaffell davor führen wollte, damit er ihr die Absolution erteilt. Auch sieht er keine mitfühlende Mutti weit und breit, die zu ihm herüber kommt und an seiner Seite niederkniet und ihn tröstet in dieser Stunde der Anfechtung. Statt einer mitfühlenden Mutti und einer heißblütigen Sünderin hört und sieht er bei der Punschhütte nur blondierte Weiber in ihre Pelzjacken hinein kichern, die bis unter ihre gezupften Augenbrauen besoffen sind, und er atmet den furchtbaren Gestank vom Punschgesöff, der sogar noch den Gestank vom Sire-Irisch-Moos zu überdecken vermag. Er sieht und riecht Bankangestellte vom Schlage eines Jackpot Charlie, der neuerdings in einem futtierten Rauledermantel mit Pelzkragen steckt, der ihm bis zu den genagelten Schuhen hinunter hängt. „Da schau her!“, denkt sich der Biermösel. „Wieso kann sich denn die depperte Sau auf einmal einen futtierten Rauledermantel mit Pelzkragen leisten?“
    „Erkennt mich denn keiner?“, schreit der Biermösel innerlich unter seiner Schneedecke hervor, „hat denn keiner mehr Respekt vor mir, nicht einer, der Mitleid hat?“
    Da merkt der Biermösel, dass sie ihn alle sehr wohl erkennen, und dann merkt er auch, dass sie alle genau deswegen keinen Respekt vor ihm haben, weil nämlich die Gendarmerie der natürliche Feind von einem jeden Punschhüttenbesäufnis samt anschließender Heimfahrt im PKW durch den Schleichweg im Silbertannenwald ist. Der Biermösel spürt, wie sie sich daran ergötzen, dass der ansonsten Furcht einflößende Gendarm schwach und ausgesetzt vor ihnen auf der Straße im Schnee liegt, und er sieht die nackten Finger, mit denen sie auf ihn deuten.
    „Lacht‘s nicht so deppert!“, schreit der Biermösel mit schwacher Stimme. Aber die lachen trotzdem alle deppert. Und sie lachen sogar immer noch höhnischer und immer noch depperter, je länger er vor ihnen herumliegt. Da fängt ausgerechnet der Jackpot Charlie in seinem gefütterten Ledermantel an, als Erster sein leeres Punschhäferl nach ihm zu werfen, und schon schießt ein Zweiter mit seinem vollen nach ihm, und bald brechen überhaupt alle Dämme und alle schießen ihre Leergebinde oder vollen Behältnisse nach ihm.
    Da macht der Biermösel die Augen zu, damit er sie alle miteinander nicht mehr sehen muss, und er presst die riesigen Pratzen mit den gewalkten Fäustlingen gegen seine Lauscher, damit er sie alle miteinander auch nicht mehr hören muss. Aber er hört sie nur umso lauter schreien und lachen, wie aus den Tiefen der Hölle klingen ihre Stimmen, metallisch und fern.
    „Was bin ich?“, fragt sich der Biermösel jetzt in Anlehnung an den Robert Lembke, den er noch gerne im Staatsfunk angeschaut hat, bevor auch der Staatsfunk zur kompletten Irrenanstalt verkommen ist, „Bin ich denn überhaupt schon tot?“
    Die ganzen Besoffenen, die sich in Massen hinter der Punschhütte entleeren, kommen auf einmal immer näher, und auch die, die sich dort den ganzen hinuntergeschütteten Punsch noch einmal durch den Kopf gehen lassen und sich von oben bis unten das Lodenkostüm (die Weiber) oder den Jäckerrock (die Trotteln) vollspeiben, torkeln jetzt langsam auf ihn zu wie eine Kompanie Untoter aus den finstersten Ecken der Hölle. Als zäher, träger, brauner Strom wälzen sich die Ausscheidungen von der breiten besoffenen Volksmasse in seine Richtung. Zwar wird ihm der unwürdige Tod in Einsamkeit früher oder später sowieso nicht erspart bleiben, wie es seit

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