Lohn der Angst
dieser Stellung. Jetzt brauchte er sie nur noch einzuhauen.
Die schweren Schläge weckten Johnny aus seiner Ohnmacht. Mit vorwurfsvollem Blick betrachtete er Stürmer bei der Arbeit. Er wußte, daß es keinen Zweck hatte zu rufen. Stürmer würde sich jetzt um nichts anderes kümmern, seine Arbeit nicht einmal unterbrechen. Er sah nach seiner Wunde. Die Entzündung stieg; er hatte Schmerzen in der Leistengegend. Er tastete sie ab. Ein dickes Ganglion begann sich zu bilden. Der Rumäne erschrak. Er hatte nicht geglaubt, daß das so schnell gehen würde. Trotz aller Anstrengungen gelang es ihm nicht, aufzustehen, so schwach war er. Er hätte schreien mögen vor Schmerzen, aber nur ein Ächzen kam über seine Lippen.
Die beiden Stangen waren in den Boden getrieben. Gérard erinnerte sich, daß er auch einmal Matrose gewesen war – was war er nicht gewesen? –, der Schifferknoten saß, und der stärkste Zug konnte ihn nur fester ziehen. Er trat einige Schritte zurück, um das Ganze mit einem letzten Blick zu überprüfen. In Ordnung. Vielleicht war das linke Seil etwas straffer gespannt als das rechte. Aber das war ganz unerheblich.
Er beugte sich über den ohnmächtigen Johnny, griff mit der einen Hand unter seine Knie, legte die andere um seine Schultern und hob ihn hoch. Der Kopf des Verletzten rollte auf Stürmers Brust, er öffnete die Augen und hatte etwas wie ein Lächeln im Gesicht. Seine Lippen bewegten sich, er sprach einen Satz. Rumänisch. Gérard verstand nichts. Er setzte seine Last außerhalb der Fahrbahn ab, dann stieg er selbst ins Führerhaus und ergriff das Steuerrad.
Der entscheidende Augenblick war da. Der Franzose wiederholte sich die Anweisungen, die Johnny ihm gegeben hatte, bevor er die Besinnung verlor. Im Prinzip mußte es jetzt gehen. Der Auspuff lag unter dem Petroleumspiegel, um so besser: nur die Öldämpfe waren eine Gefahr, die Flüssigkeit selbst war praktisch unentzündbar. Wenn es im Auspuffrohr einen Funken geben sollte, würde er in der Flüssigkeit gleich wieder verlöschen. Jetzt brauchte er nur noch loszufahren.
Die Auspuffgase stießen Blasen in das Erdöl; ein regelmäßiges Glucksen, das den langsam laufenden Motor übertönte. Alles würde sich beim Einkuppeln entscheiden. Gérards linker Fuß wurde immer leichter, das Kupplungspedal stieg langsam hoch. Vor dem Getriebekasten näherten sich die Kupplungsplatten einander, schliffen und preßten sich zusammen. Stürmer sah, wie sich die Seile vor ihm spannten.
Die Eisenstangen bebten leicht bei der zunehmenden Belastung. Der Wagen bewegte sich. Das Wunder schien Wirklichkeit zu werden. Der feste Boden näherte sich unmerklich den Rädern. Stürmer blickte bei offener Tür senkrecht nach unten, er konnte jeden Zentimeter Geländegewinn verfolgen. Hinten, unter der bewegten Oberfläche des Tümpels, rollten sich die Hanfseile ohne Aufenthalt zwischen den Rädern auf. Es schien Stürmer, als breite sich ein Teppich aus Dollarnoten vor dem Wagen aus. Und gleichzeitig war er ganz einfach froh, weil er es geschafft hatte.
Der Wagen würde gleich festen Boden unter allen Rädern haben. Es war höchste Zeit: die rechte Eisenstange begann sich zu biegen. Kaum hatte Stürmer das bemerkt, da gab es einen heftigen Knall.
Aus ist’s! dachte er. Aber da er Zeit gehabt hatte, das zu denken, wußte er im gleichen Augenblick, daß es nicht »aus sein« konnte.
Die rechte Stange hatte sich umgelegt, und das Seil war davon abgeglitten. Der Wagen war dadurch ins Schleudern gekommen, und das andere Seil, das immer noch straff gespannt war, hatte den Reifen des äußeren Rades berührt. Dieser Reifen war unter dem Schleifen des Seiles geplatzt, gerade als er sich unsicher an dem Rand des Loches drehte. Der Hinterwagen kam ins Rutschen, und das ganze Fahrzeug zögerte einen Augenblick, ob es die Steigung nehmen oder zurückrutschen sollte.
Stürmer hatte das Kupplungspedal völlig losgelassen. Auf dem Gashebel suchte er dem Motor die notwendige Tourenzahl zu geben, damit die Hinterräder greifen konnten. Einige Korrekturen am Steuerrad, um das Abgleiten der Hinterräder zu verhindern. Plötzlich schwieg das Heulen des Motors. Der Wagen hatte sich entschlossen: mit drei Radumdrehungen entkam er bei schließlich normaler Geschwindigkeit auch links den Fesseln des Schlamms.
Jetzt hatte sich Stürmer Ruhe verdient, und trotzdem könnte davon keine Rede sein. Es blieb gerade so viel Zeit, daß er sich sagen konnte: das wäre
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