Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
Vom Netzwerk:
konnte er mit seinem Arm nicht weit genug reichen. Vertrackte Geschichte.
    Rückwärts war nichts zu machen. Wenn er Zement zur Hand gehabt hätte, aber selbst dann...
    Stürmer fühlte, wie eine Raserei von ihm Besitz ergriff. Bei Männern wie ihm ist das ein Fehler und eine Qualität zugleich: sie sind wie Kinder, die vor einem Spielzeug zornig mit den Füßen aufstampfen; was sie haben wollen, wollen sie sofort; sie können nicht warten. Sie sind wie besessen davon. Es schien ihm von entscheidender Wichtigkeit, daß der Wagen vor der größten Hitze aus dem Loch herauskam. Und abgesehen davon, daß man dies als ein Zeichen von Männlichkeit werten konnte, war das absolut unsinnig.
    Er stellte sich alle Tracks vor, mit denen er umgegangen war, und er hatte viele Wagen gefahren, von den Llanos Venezuelas bis zu den steil abfallenden Hängen der Anden; aber alle diese Bilder verwarf er wieder. Schaufel, Hacke, Seile, Brechstangen: das half hier nichts; hier war eine Winde nötig. Und in Las Piedras stand eine ganze Anzahl von Tracks mit Vier- und Sechsradantrieb, die eigens für überschwemmte Straßen ausgestattet waren, vorne und hinten mit einer Seilwinde, die vom Motor aus betrieben wurde ... Doch wie hätte man mitten in der trockenen Jahreszeit an so etwas überhaupt denken sollen?
    Die Luft erwärmte sich bereits. Aber noch war der Himmel ganz rein, noch trübten die Hitzewellen, die bald vom Boden aufsteigen würden, seine Klarheit nicht. Ein Schwarm grüner Papageien zog krächzend über sie hinweg. Die Vögel kamen aus den großen Wäldern des Südens. Ihr schwerfällig-schneller Flügelschlag trug sie zum Meer.
     
     
    Johnny war zu B oden gesunken, den Rücken gegen eines der Vorderräder gelehnt. Das Fieber hatte nicht die Zeit abgewartet, die Gérard vorausgesagt hatte. Schon war er nicht mehr Herr seines Blickes, und in den schwarzumringten Augenhöhlen flackerten unstet die Pupillen.
    »Hör zu, Franzose«, versuchte er sich bemerkbar zu machen.
    Aber die Luft ging ihm aus, und er brauchte lange, bevor er wieder Kraft genug hatte, um rufen zu können:
    »Gérard! He, Gérard!«
    »Halt’s Maul!«
    »Komm her!«
    Stürmer kam murrend heran.
    »Ich kümmer mich gleich um dich. Jetzt laß mich aber mal fünf Minuten in Ruhe.«
    »Hör zu ... nachher ist’s zu spät, das Delirium ... sitzt er tief drin?«
    »Bis an die Federung. Na und?«
    »Ich weiß einen Trick. Aber du mußt mich sofort verbinden, Gérard.«
    »Sobald wir raus sind, das hab ich dir schon gesagt.«
    »Nein. Sofort. Bei der Wunde, die ich habe ... der ganze Dreck ... sie wird brandig. Und die Sonne drauf...«
    »Was ist das für ein Trick?«
    »Versprich mir, daß du mich verbindest, Gérard. Versprich es mir. So will ich nicht verrecken...«
    »Und anders auch nicht. Weiß ich. Na, und der Trick?«
    »Das ist eine Sache, die wir Chauffeure immer in Rumänien gemacht haben, wo es genau solche Straßen gibt. Das gelingt immer.«
    »Erzählst du mir deine Lebensgeschichte, oder sagst du mir jetzt, was das ist?«
    »Wirst du mich auch gleich verbinden?«
    »Ja, doch.«
    »Herrgott ... die Schmerzen ... du rammst die beiden Brechstangen vor dem Wagen ein. Aber nicht irgendwie: sondern genau auf Achse. Genau auf Achse ... davon hängt alles ab.«
    »Auf welche Achse?«
    Der Rumäne schweigt, scheint einzuschlafen. Sein Kopf fällt nach vorn.
    »Johnny! He, Johnny!«
    Stürmer springt ins Führerhaus, holt eine Flasche Rum. Er packt den Verletzten bei den Haaren, zieht seinen Kopf hoch, hält ihm die Flasche zwischen die Lippen und gießt ihm den Alkohol in den Mund. Das meiste fließt an beiden Seiten vorbei, aber Johnny schluckt doch davon, verschluckt sich, muß husten, der Alkohol brennt. Speichel, Galle und Rum laufen ihm aus den Mundwinkeln. Er öffnet die Augen; die voll Wasser stehen, sein Blick irrt umher. Gérard kann nicht warten.
    »Auf welche Achse?«
    »Weißt nicht ... was? Welche Achse?«
    »Du hast gesagt: Du rammst die Brechstangen ein, genau auf Achse. Und weg warst du. Also auf welche Achse?«
    Der Rumäne dachte nach. Seine Stirn zog sich zusammen; das Petroleum lief ihm in zwei kleinen Rinnsalen an beiden Schläfen entlang. Als er wieder zu sprechen begann, keuchte er. Schmerzvoll verzog er das Gesicht.
    »Zu schwer, dir das so zu erklären ... du wirst schon machen ... ich kann nicht mehr denken. Das ist’s. Was hab ich gesagt?«
    Gérard packte ihn an der Schulter und schüttelte ihn. Aber seine Hände glitten an

Weitere Kostenlose Bücher