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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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lauschten, hielten den Atem flach. Doch es war nichts zu hören. Schließlich drehte er mich grob
     nach rechts, zog derart an meinen Haaren, dass ich meinte, nach hinten zu kippen.
    »Da ist ein Lichtschalter an der Wand neben der Tür. Betätige ihn!«
    »Wie?«, spie ich heraus. »Mit dem Fuß? Dem Knie? Meine Hände sind gefesselt.«
    Das erste Mal schien ich ihn verunsichert zu haben. Zwar hatte er das Szenario gut im Kopf, auch wie er mich bezwingen und
     beherrschen konnte, aber das erste Mal gab es den Faktor X – die unbekannte Größe. Damit hatte er bisher nicht zu tun gehabt.
     Bei all den anderen Fällen musste er nur seine Opfer bezwingen, doch es gab keine Bedrohung von außen. Dies war meine Chance,
     wurde mir klar.
    »Du kannst meine Fesseln lösen, dann kann ich das Licht anschalten. Aber ist es sicher hier drin? Dringt kein Lichtschein
     nach außen?«, fragte ich.
    »Schnauze!«, fuhr er mich an.
    »Nicht so laut«, sagte ich spöttisch und hoffte, dass Robert irgendwo hier in der Nähe war. Ich versuchte in den Raum hineinzufühlen,
     zu spüren, ob da noch jemand anderes war. Aber für Schwingungen dieser Art war ich wohl nicht empfänglich.
    »Werd nicht frech«, fuhr er mich an. Das Messer drückte |263| tiefer in meine Haut. Dann ließ der Druck nach. Er wandte sich um, tastete zielsicher nach dem Lichtschalter. Das Licht flammte
     auf. Zwei nackte Glühlampen in Fassungen. Ich kniff geblendet die Augen zusammen. Wir waren in einem kleinen Büro. Ein Schreibtisch
     stand an der einen Wand, Regale mit Akten füllten die andere, uns gegenüber war eine weitere Tür. Langenfeld bugsierte mich
     bis zur Tür, überprüfte sie, sie war verschlossen.
    »Zurück!«, befahl er barsch. »Wo ist der Kerl?«, murmelte er leise. »Wo ist das Schwein, und was führt er im Schilde?«
    »Vielleicht ist er schon längst gefahren?«, sagte ich und versuchte überzeugend zu klingen.
    »Das hätte ich gehört. Ich kenne hier jedes Geräusch, jeden Hauch, jeden Luftzug.«
    Ich glaubte ihm. »Wohin jetzt?«
    »In den Eingangsbereich. Da habe ich alles im Überblick. Hier hätte er sich einen Hinterhalt schaffen können. Hat er nicht.
     Also zurück!«
    Wieder gingen wir durch die Tür, er ließ sie offen und das Licht an. Der Lichtschein warf einen beleuchteten Korridor in die
     große Eingangshalle. Nach vorne heraus gab es eine Fensterfront zu der verglasten Veranda. Rechts neben der Tür standen mehrere
     Tische und Stühle. Mitten im Raum lagen einige Matratzen. Ich sah nur kurz hin, wandte dann den Blick ab. Die dunklen Flecken
     auf ihnen zeugten von Blut und Schlimmerem.
    Langenfeld kontrollierte den Raum, musterte ihn lange und sorgfältig über meine Schulter. Dann stieß er den Atem aus. Er führte
     mich zu der kleinen Sitzgruppe links neben der Tür zum Büro. Daneben war eine weitere Tür. Für einen Moment zögerte er, dann
     stieß er mich dorthin, drückte den Türgriff. Die Tür war verschlossen. Erleichtert seufzte er auf, stieß mich in einen der
     Sessel, stellte sich hinter mich. Das Messer war nicht mehr an meinem Hals. Erleichtert atmete ich auf, schaute mich verstohlen
     um.
    Wenn dies der erste Raum gewesen war, den Robert gesehen |264| hatte, dann hätte er schnell seine Schlüsse gezogen. Aber wo war er jetzt? Was tat er? Holte er Hilfe? Oder hatte er mich
     wirklich alleine gelassen?
    Langenfeld zog eine Packung Zigaretten aus der Hosentasche. Er setzte sich mir gegenüber in den Sessel der Sitzgruppe, die
     aus den ersten Ikea-Jahren stammen mochte. Kiefernholz mit abgesessenem Cordbezug, derartig durchgescheuert, dass man den
     Cord nur noch erahnen konnte.
    »Nett hier, oder?«, sagte er zynisch und zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief. Dann griff er in die Tasche seiner
     Weste und zog eine Pistole hervor, richtete sie auf mich. »Messer sind leise Waffen. Subtiler. Damit kann man spielen. Schusswaffen
     sind effektiv.«
    Ich sank in das abgesessene und ausgeleierte Polster zurück, beobachtete ihn wie hypnotisiert. Ich war die Maus vor der tanzenden
     Schlange. Immer noch rührte sich nichts, weder draußen noch hier drinnen. Wir waren alleine, auf uns gestellt. Robert schien
     tatsächlich verschwunden zu sein.
    Langenfeld rauchte die Zigarette auf, betrachtete für einen Moment den glühenden Stummel. Die Wunden an meinem Bauch und in
     meiner Handinnenfläche begannen augenblicklich zu brennen und zu schmerzen. Er würde doch nicht …? Ich schloss die Augen,
    

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