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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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von Humbert so gelangweilt waren, daß sie nie über Seite 188 hinausgelangten, hatte die Naivität, mir zu schreiben, der zweite Teil sei zu lang geraten. Verleger Y wiederum bedauerte, daß in dem Buch keine guten Menschen vorkämen. Verleger Z meinte, wenn er Lolita drucke, kämen er und ich ins Gefängnis.
    Von keinem Schriftsteller eines freien Landes sollte erwartet werden, daß er sich um die exakte Demarkation von Sinnenhaftigkeit und Sinnlichkeit Sorgen macht; das wäre eine wahrhaft komische Aufgabe. Ohne es ihnen nachtun zu können, kann ich nur die
    Akkuratesse des Urteils jener bewundern, die schöne junge Säugetiere für Illustriertenphotos posieren lassen, auf denen der Ausschnitt gerade tief genug ist, um den Philister zu ergötzen, und gerade hoch genug, um nicht das Stirnrunzeln des Zensors zu erregen, Ich nehme an, es gibt Leser, denen die Parade der Latrinenwörter in jenen hoffnungslos banalen und dicken Romanen einen Kitzel bereitet, die von verkrampften Stümpern in die Tasten gehauen und von unbedarften Rezensenten als «kraftvoll» und «stark» gepriesen werden. Es gibt sanfte Seelen, die Lolita als bedeutungslos bezeichnen würden, weil sie ihnen keine Lehre erteilt. Ich lese und schreibe keine didaktische Prosa, und trotz der Versicherung John Rays hat Lolita keine Moral im Schlepptau. Für mich existiert ein Werk der Fiktion nur in dem Maße, wie es mir gewährt, was ich rundheraus ästhetisches Vergnügen nennen möchte - ein Gefühl, irgendwie, irgendwo mit anderen Seinszuständen in Berührung zu sein, bei denen Kunst (Neugier, Zärtlichkeit, Güte, Harmonie, Leidenschaft) die Norm ist. Es gibt nicht viele solcher Bücher. Alle übrigen sind entweder journalistisches Gewäsch oder das, was manche «Ideenliteratur» nennen, die sehr oft auch nur Gewäsch ist, aber abgepackt in riesigen Gipsblocks, die sorgfältig von Generation zu Generation überliefert werden, bis einmal ein Wagehals mit einem Hammer daherkommt und Balzac, Gorkij, Mann ordentlich einen versetzt.
    Einige Leser haben Lolita einen anderen Vorwurf gemacht, nämlich den, daß sie antiamerikanisch sei. Das schmerzt mich sehr viel mehr als der törichte Vorwurf der Unmoral. Technische Erwägungen, wie der Erzäh-lung Tiefe und Perspektive zu geben sei (ein Vorstadtrasen, eine Bergwiese), veranlaßte mich, eine Anzahl nordamerikanischer Szenerien aufzubauen. Ich brauchte ein gewisses erheiterndes Milieu. Nichts ist erheiternder als spießbürgerliche Vulgarität. In puncto spießbürgerliche Vulgarität aber gibt es keine fundamentalen Unterschiede zwischen paläarktischen und nearktischen Sitten. Jeder Prolet aus Chicago kann so bourgeois (im flaubertschen Sinn) sein wie ein englischer Herzog. Ich habe nur deshalb amerikanische Motels statt Schweizer Hotels oder englischer Gasthöfe gewählt, weil ich versuche, ein amerikanischer Schriftsteller zu sein, und nehme nur die Rechte in Anspruch, die andere amerikanische Schriftsteller genießen. Andererseits ist mein Geschöpf Humbert Ausländer und Anarchist, und es gibt außer Nymphchen noch vieles mehr, worin ich anderer Meinung bin als er. Und alle meine russischen Leser wissen, daß meine alten Welten - ob russisch, englisch, deutsch oder französisch -ebenso phantastisch und individuell sind wie meine neue Welt.
    Damit das kleine Bekenntnis, das ich hier ablege, nicht etwa so wirkt, als wollte ich nur meinem Groll Luft machen, beeile ich mich hinzuzufügen, daß außer den Lämmern, die sich an die Lektüre des Manuskripts oder der Olympia-Press-Ausgabe mit Fragen wie «Warum mußte er so etwas schreiben?» oder «Warum soll ich etwas über Psychopathen lesen?» herangemacht haben, etliche kluge, sensible, vorurteilsfreie Menschen Lolita lasen, die das innere Gefüge meines Buchs viel besser verstanden haben, als ich es erklären könnte.
    Jeder ernsthafte Schriftsteller ist sich wohl des einen oder anderen seiner Bücher als einer tröstlichen Gegenwart bewußt. Ständig glüht dessen Kontrollicht irgendwo im Keller, und das bloße Berühren des privaten Thermostaten bewirkt, daß sogleich ein stiller kleiner Ausbruch vertrauter Wärme stattfindet. Diese Nähe, dieses Glühen des Buches in einer stets zugänglichen Abgeschiedenheit vermittelt einem das Gefühl, einen Gefährten zu haben, und je vollkommener das Buch mit den vorgedachten Konturen und Farben übereinstimmt, um so intensiver und ruhiger glüht es. Aber selbst dann gibt es gewisse Punkte, Seitenpfade,

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