London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)
Selbstzweifel nagten und nagten an mir. Sie klangen genauso wie Mum, wenn sie betrunken war.
Aber sie hatte recht, oder?
Cam hatte eine Frau geliebt, die intelligent und faszinierend gewesen war. Die nach Europa geflogen war, um ihren Master in Romanistik zu machen.
Er hatte jemanden geliebt, der, das erkannte selbst der letzte Trottel, das exakte Gegenteil von mir war.
Noch schlimmer: Ihre Beziehung war nicht auseinandergegangen, weil er sie nicht mehr geliebt hatte.
Sondern wegen seines gottverdammten Traumas, von seinen leiblichen Eltern verlassen worden zu sein.
Ich starrte mein Spiegelbild an und suchte verzweifelt nach etwas Interessantem und Einzigartigem, das mir beweisen würde, dass ich die Frau war, mit der Cam unbedingt zusammen sein wollte.
Ich fand nichts.
Ein Schluchzer drang aus meiner Kehle, und ich ließ meinen Tränen freien Lauf.
Heute hatte ich mich in Cameron MacCabe verliebt. Aber wie konnte ich jemals darauf hoffen, dass er diese Liebe erwiderte, wenn nicht einmal ich etwas Liebenswertes an mir fand?
Kapitel 19
E s gibt Pfannkuchen!«, verkündete Helena MacCabe fröhlich und schnappte sich den Teller ihres Ehemanns. Sofort stapelte ich meinen leeren Teller auf den von Cole und stellte Cams obendrauf.
»Ich helfe Ihnen.« Ich lächelte höflich.
Seit unserer Ankunft tags zuvor waren Helena und Anderson MacCabe Cole und mir gegenüber durchweg freundlich und offen gewesen. Trotzdem hatte ich meine Nervosität noch nicht ganz abgeschüttelt.
Das lag nicht nur daran, dass sie die Eltern meines Freundes waren und ich von ihnen gemocht werden wollte. Es lag auch daran, dass sie Cams Eltern waren – Eltern, die er abgöttisch liebte. Auf keinen Fall sollten sie denken, dass ich nicht gut genug für ihren Sohn war.
Die letzte Woche war ziemlich seltsam gewesen. Am Wochenanfang war ich noch unsicher und von Zweifeln geplagt gewesen, weil Cam mir gestanden hatte, dass er in dieses aufregende Blair-Wesen verliebt gewesen war, aber da er seine gesamte Freizeit mit mir verbrachte und mir sogar im Club immer wieder Beweise seiner Zuneigung lieferte – ehrlich, er konnte keine fünf Minuten die Finger von mir lassen –, rückte diese Unsicherheit allmählich immer weiter in den Hintergrund, bis ich sie schließlich fast gar nicht mehr wahrnahm.
Als der Samstag kam und Cole und ich uns auf den Aufenthalt in Longniddry vorbereiteten, wuchs meine Unruhe über die bevorstehende Begegnung mit Cams Eltern. Ich beichtete ihm meine Nervosität, was er niedlich fand. Er schien nicht den geringsten Zweifel zu haben, dass sie mich mögen würden.
Dasselbe dachte auch Malcolm.
Wir standen weiterhin per SMS in Kontakt, und am Mittwoch hatte er mich zum ersten Mal seit unserer Trennung angerufen. Anfangs war das Gespräch ein bisschen verkrampft gewesen, aber die Anspannung verflog, sobald er mir eröffnete, dass er eine neue Frau kennengelernt hatte. Sie war älter als ich und hatte ein Kind, und Malcolm war mit der Situation ein wenig überfordert. Ich riet ihm, die alleinerziehende berufstätige Mutter zu verwöhnen, dann hätte er in null Komma nichts ihr Herz erobert. Er wiederum riet mir, um die Herzen vom Cams Eltern in null Komma nichts zu erobern, einfach ich selbst zu sein. Hinterher fragte ich mich, welches »Selbst« er wohl gemeint haben könnte, da ich ihm mein wahres ja nie vorgestellt hatte.
Für die Fahrt zu seinen Eltern hatte Cam ein Auto gemietet, und ehe ich mich versah, war es Samstagvormittag, und wir fuhren die Hauptstraße von Longniddry entlang. Links und rechts standen malerische Cottages aus sandfarbenem Backstein mit roten Schieferdächern, dann kam der Pub des Ortes, der sich allem Anschein nach nicht über mangelnde Kundschaft beklagen konnte. Doch irgendwie konnte ich die Idylle nicht richtig genießen. Es war ein frischer Frühlingstag, die Sonne schien, im Ort tummelten sich zahlreiche Menschen. Und ich? Ich war ganz damit beschäftigt, vor Nervosität meine Unterlippe zu zerbeißen. Auch Cams und Malcolms Beteuerungen zerstreuten meine Bedenken nicht, und meine Selbstzweifel brachten mich fast um.
An einem Kreisel bogen wir links ab. Cam machte uns auf das imposante rote Torhaus von Gosford House, einem alten Adelssitz, aufmerksam und erzählte ein paar Fakten über das Anwesen, die er von seinem Vater hatte. Cole antwortete ihm, woraus ich schloss, dass er tatsächlich zugehört hatte – ganz im Gegensatz zu mir, die ich mich ganz darauf konzentrieren musste,
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