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London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)

London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)

Titel: London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Young
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engen Zusammenhalt in unserer Familie. Aber irgendwann kam ich in die Pubertät und machte eine Phase durch, wie sie wohl jeder in dem Alter durchmacht: Man versucht rauszufinden, wer man wirklich ist. Man kämpft mit der eigenen Identität, weil man das Gefühl hat, alle um einen herum wären anders als man selbst, und man fragt sich: Liegt das an mir? In der Pubertät ist man sowieso oft schlechtgelaunt und für die Umwelt nur schwer zu ertragen, und bei mir wurde die Situation noch dadurch verschärft, dass sich meine Eltern, als ich sechzehn war, mit mir hingesetzt und mir eröffnet haben, dass ich adoptiert war.«
    Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich bekam den Mund kaum wieder zu. »Cam …«, murmelte ich teilnahmsvoll.
    Er sah mich an und schüttelte leicht den Kopf, wie um anzudeuten, dass all das inzwischen hinter ihm lag.
    »Damals hat mir das den Boden unter den Füßen weggezogen. Plötzlich gab es irgendwo da draußen zwei Menschen, die mich im Stich gelassen hatten. Die mich aus irgendeinem Grund nicht genug geliebt hatten, um mich zu behalten. Und wer waren sie überhaupt? Was waren sie für Leute? Wenn Mum und Dad nicht meine leiblichen Eltern waren, wer war ich dann? Auf einmal hatte die Art, wie ich lachte, nichts mehr mit meinem Vater zu tun, so wie ich immer gedacht hatte … Die Träume meiner Eltern, ihre Fähigkeiten … die Vorstellung, dass sie ihre Freundlichkeit, ihre Intelligenz und ihre Leidenschaften an mich weitervererbt hatten – all das war auf einmal weg. Wer war ich?« Er lächelte traurig. »Man glaubt gar nicht, wie wichtig es ist, das Gefühl zu haben, irgendwo dazuzugehören, Teil einer Familiengeschichte zu sein – bis es einem weggenommen wird. Bei einem Kind macht das einen großen Teil der eigenen Identität aus. Ach was, bei jedem Menschen. Nachdem ich die Wahrheit erfahren hatte, war ich lange Zeit völlig neben der Spur. Es ging ziemlich bergab mit mir – ich habe die Schule geschwänzt, gekifft und hätte mir durch meinen miesen Abschluss fast die Chancen auf einen Graphikdesign-Studienplatz am College of Art in Edinburgh versaut. Ich war gemein zu meiner Mum und habe meinen Dad komplett ignoriert. Ich war die ganze Zeit nur noch auf die Frage fixiert, wie ich meine leiblichen Eltern ausfindig machen konnte. Ich habe an nichts anderes mehr gedacht und war wild entschlossen, alles, was ich vorher gewesen war, kaputtzumachen, weil ich hoffte, auf diese Weise rauszufinden, wer ich in Wirklichkeit hätte sein sollen. Ein paar Monate später habe ich mir heimlich das Auto von meinem Dad ausgeborgt und damit eine Spritztour gemacht. Ich hatte Glück, dass die Polizei mich nicht erwischt hat – stattdessen war’s eine Wand. Der Wagen hatte Totalschaden, und mein Dad musste kommen und mich abholen. Ich war betrunken. Völlig durch den Wind. Und als mein Dad damit fertig war, mich unangespitzt in den Boden zu rammen, weil ich mein eigenes Leben und das der anderen Verkehrsteilnehmer in Gefahr gebracht hatte, hat er mich zu einem Strandspaziergang mitgenommen. Und was er da zu mir gesagt hat, hat mein Leben verändert.«
    »Be Caledonia«, sagte ich leise.
    »Be Caledonia.« Cam grinste, und aus seinen Augen leuchtete eine tiefe Zuneigung für den Mann, der sein Vater war. »Er hat mir erklärt, dass Schottland den Namen ›Caledonia‹ von den Römern bekommen hat. Ich war daran gewöhnt, dass er aus dem Stegreif irgendwelche Geschichtsvorträge hielt, deswegen dachte ich zuerst: Jetzt kommt wieder so ein langweiliger Monolog. Stattdessen hat er mir eine völlig neue Perspektive eröffnet. Die Welt wird immer versuchen, dich irgendwie zurechtzubiegen. Menschen, Zeit, Ereignisse – all das verändert einen, bis man am Ende das Gefühl hat, überhaupt nicht mehr zu wissen, wer man ist. Dabei spielt es letzten Endes gar keine Rolle, wie andere einen sehen oder welchen Namen sie einem aufdrücken. Wenn man sich selbst treu bleibt, können einem all diese Sachen nichts anhaben. Be Caledonia. Mag schon sein, dass Fremde unserem Land diesen Namen gegeben haben, aber dadurch hat sich das Land selbst nicht verändert. Im Gegenteil: Wir haben den Namen angenommen, uns aber nicht für ihn verbogen. Be Caledonia. Ich habe es mir mit achtzehn auf den Arm stechen lassen, damit ich nie vergesse, was Dad mir damals gesagt hat.« Er lächelte wehmütig. »Wenn ich gewusst hätte, wie viele Leute mich danach fragen würden, hätte ich es mir irgendwohin stechen lassen, wo

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