Londons Albtraum-Nächte
Arbeit, und die würde vermutlich noch an diesem Abend beginnen.
Ich hatte mich entschlossen. Ich würde nicht in der Wohnung bleiben. Ich würde keine Ruhe finden. Ich würde mich auf den Weg machen und durch Soho streifen. Nicht durch die modernen Viertel, sondern durch die alten mit den Häusern, die eng zusammenstanden und dabei ineinander verschachtelt waren. Da gab es durchaus Gemeinsamkeiten mit Chinatown.
Aber allein?
Es gab Suko. Wir waren Partner. Und vier Augen sehen mehr als zwei. Das ist nun mal eine Tatsache.
Ich ging nach nebenan. Nach dem Klingeln erschien Suko sehr schnell und sagte nur: »Ich wusste, dass du noch kommen würdest.«
»Warum?«
»Mein Gefühl.«
»Dann mach dich mal bereit«, sagte ich und ging an ihm vorbei in die Wohnung.
»Worauf?«
»Auf eine lange Nacht...«
***
Tom Brixon fluchte!
Es war seine Lieblingsbeschäftigung. Er fluchte eigentlich immer. Er war sauer auf sich, seine Umgebung und eigentlich auf alles. Nichts lief so, wie er es geplant hatte. Immer wieder kam etwas dazwischen. Es gab ständig Ärger, aber er musste auch zugeben, dass er sich den Job selbst ausgesucht hatte. Es war eben seine Schuld, sich als Hausmeister in diesem Komplex anstellen zu lassen, der für ihn so etwas wie eine kleine Stadt für sich war.
Brixon war Hausmeister einer Siedlung, verantwortlich für mehrere Häuser, die allerdings nicht auseinander standen, sondern ineinander integriert waren. Man konnte auch von einem Karree oder einem Block sprechen, in dem zahlreiche Menschen wohnten und sich manchmal so vorkamen wie die Bewohner zu Zeiten der Queen Victoria. Es waren alte Bauten. Sie klebten zusammen. Sie waren ineinander verschachtelt. Es gab enge Treppen, kleine Balkone. Dächer mit hohen Kaminaufbauten, aus denen mehrere Röhren hervorragten, die den Qualm der Feuer entließen. Überragt wurden manche noch vom silbrigen Draht der Fernsehantennen. Verschieden hohe Dächer. Manche flach, andere wiederum steiler, so dass dieser Wirrwarr wie ein Gebirge aussah und die Menschen, die sich auf den Dächern bewegten, schon gute Kletterer sein mussten.
Fenster ließen sich normal öffnen oder auch nur hochschieben. Alte Dachrinnen klammerten sich schief am Mauerwerk fest, und manche der kleinen Bauten wirkten wie schräg gebaut, so dass sie von den anderen im Gleichgewicht gehalten werden mussten.
Es war wirklich eine Welt für sich, in der die unterschiedlichsten Menschen lebten. Künstler, Familien mit kleinen Kindern, Junggesellen, Arbeitslose. Auch Alleinstehende, wobei einige der Frauen auf den Strich gingen.
Ein Spiegelbild der Gesellschaft hatte sich in diesem Block versammelt, der auch einen Hinterhof besaß, in dem sich die Menschen hin und wieder bei schönem Wetter im Sommer trafen und kleinere Feste feierten.
Nur nicht im Winter. Da sah der Block grau und hässlich aus. Es war zu sehen, dass er nichts anderes war als ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit.
Es gab die Türen nicht nur als Eingänge in den Komplex, auch zwischen den Häusern existierten sie. So waren auch manche Gänge oder Flure als Fluchtwege gebaut worden, um bei einem Feuer zumindest eine Chance zu haben.
Und Tom Brixon sollte alles unter Kontrolle halten. Er wohnte unten. Er wohnte zentral. Man konnte seine Wohnung als Mittelpunkt dieses Komplexes bezeichnen, der unter seiner Kontrolle stand.
Das glaubte er zumindest, aber er wusste auch, dass es nicht zu schaffen war. Es passierte immer etwas. Daran waren nicht nur die Kinder schuld, auch die Erwachsenen benahmen sich so. Es gab Streit. Oft genug flogen die Fetzen, und manche Wohnungen wurden bei diesen Auseinandersetzungen regelrecht demoliert.
Aber auch auf den Fluren und Gängen nahm niemand Rücksicht. Es gab verkratzte und beschmierte Wände, auf denen Erwachsene wie Kinder ihrem Frust freie Bahn gelassen hatten.
Es lohnte sich oft nicht mehr, die Schmierereien zu entfernen, da sie immer wieder zurückkehrten. Auch war es manchmal sehr schwierig, und so hatte Tom Brixon aufgegeben.
Er ärgerte sich trotzdem. Sogar eine Belohnung hatte er ausgeschrieben, um die Schmierer zu fassen, doch die konnte er vergessen. Niemand schwärzte seinen Nachbarn an.
Es war schon ein Phänomen. Obwohl sie sich oft stritten, hielten sie bei bestimmten Dingen zusammen. Da stand Brixon dann allein auf weiter Flur. Egal, er zog den Job durch. Er war 50 und froh, Arbeit zu haben. Da musste man eben gewisse Ärgernisse in Kauf nehmen. Außerdem brauchte er
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