Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
nicht selbst im wahrsten Sinne des Wortes begraben. Er sog kühle Luft ein. »Ich frage sie, ob sie uns zurückführen. Nein, das ist nicht richtig. Ich denke, man könnte eher sagen, daß ich ihnen zu diesem Thema einige Empfindungen übermittle. Ich versuche zu erklären, was im Außenposten vorgefallen ist, wie unsere Situation aussieht und warum wir dorthin zurück müssen.
Sie wissen übrigens über die Oberfläche Bescheid. Sie kennen Legenden, in denen davon die Rede ist, Erzählungen von tapferen Geschöpfen, die bis zu der riesigen Feuerhöhle vordrangen, die über der wirklichen Welt liegt. Sie trugen Masken, um sich vor dem Licht zu schützen, so gedämpft es auch sein mag, nachdem es die ewige Wolkendecke durchdrungen hat.«
Eine Hand berührte seine Schulter. Finger wanderten an seinem Arm entlang, bis Clarity sich bei ihm eingehakt hatte. Ihre Erleichterung über seine Entscheidung drückte sich sowohl in Worten als auch ihren Gefühlen aus.
»Danke, Flinx. Viel länger hätte ich das hier nicht mehr ertragen. Ich habe mich so sehr bemüht, nichts zu sagen.«
»Damit hättest du auch gar nichts erreicht«, erklärte er ihr und schämte sich gleichzeitig, daß er sie an ihre Unfähigkeit erinnerte, Kontakt durch Empfindungen aufzunehmen. »Ich werde jetzt gleich mit ihnen konferieren und ihnen mitteilen, was wir vorhaben. Was wir tun müssen.«
Es waren keine Sumacrea in der Nähe, doch es bereitete keine Schwierigkeiten, einige herbeizurufen. Er mußte lediglich den Wunsch nach Gesellschaft ausdrücken und seine persönliche Charakterisierung hinzufügen. Clarity und Sowelmanu verfügten ebenfalls über eine solche Charakterisierung,, konnten sie jedoch nur unwillkürlich einsetzen und nicht bewußt kontrollieren. Einen kurzen Moment später hörten sie, wie mehrere Eingeborene in der Dunkelheit auf sie zukamen.
Er spürte, wie seine Gefährten sich den Herankommenden zuwandten, und lächelte vor sich hin. Sie hatten zwar nicht seine Fähigkeiten, doch ihr Geruchssinn und ihr Gehör hoben diesen Mangel zum Teil wieder auf. Sie waren gar nicht so blind und hilflos, wie sie annahmen.
»Denkt an eins«, erinnerte er seine Freunde, »daß sie erstens vielleicht gar nicht bereit sind, uns zu führen, und zweitens, daß es zum Außenposten überhaupt keinen freien Zugang mehr gibt.« Es gab noch eine ganze Reihe weiterer Gründe für einen gewissen Pessimismus, doch die behielt er für sich. Claritys Gefühl der Hoffnung war für ihn einfach zu stark, als daß er den Wunsch gehabt hätte, es mit Hinweisen auf die traurige Wirklichkeit zu dämpfen.
Gefühle ließen sich in den Höhlen sehr gut austauschen und weit vermitteln. Er fragte sich, ob die Sumacrea wohl auch so überwältigt und erschüttert wären wie er, wenn sein Talent in vollem Umfang in einer größeren Stadt funktionierte, umgeben von Tausenden fühlender, Emotionen entwickelnder Menschen. Hier war es sehr leicht, Individuen zu identifizieren und Empfindungen genau auszudrücken.
Seltsam war es schon, sich mit Leuten so innig gefühlsmäßig auszutauschen, die man niemals zu Gesicht bekommen hatte und die man wahrscheinlich auch niemals mehr sehen würde. Er hatte sich angewöhnt, sie mit Namen zu belegen, zumindest diejenigen, mit denen er sich regelmäßig verständigte. Diese Namen ergaben sich aus ihrer jeweiligen emotionalen Handschrift. Da war der Weinende, der seltsamerweise am wenigsten empfindsame Vertreter des Stammes, und sein Freund Schwer und Nachdenklich-Ernst. Sie nahmen die Gefühle auf, die er in ihre Richtung schickte, und dachten nach.
Wie erwartet verlief der Emotionsaustausch nicht so glatt wie gewünscht. Die Sumacrea befürchteten, wenn sie sich zu nahe zur äußeren Höhle begäben, nicht mehr in der Lage zur Rückkehr zu sein. Es war eine Region bar jeder Empfindung, und das machte ihnen angst. Flinx vertrat geduldig seinen Standpunkt, wobei Pip aufmerksam auf seiner Schulter saß, wohl wissend, daß seine Gefühle rein und klar und unmißverständlich abgegeben wurden. Es beruhigte sie, und sie erklärten sich einverstanden, ihnen zu helfen.
Nachdenklich-Ernst und Schwer kannten den Weg nach oben zur äußeren Höhle, aus der sie vor einiger Zeit seltsame Emotionen und Empfindungen aufgenommen hatten, Gefühle, die sie jetzt verstanden, nachdem sie Flinx und seine Freunde kennengelernt hatten. Ganz sicher gab es von ihnen oben noch mehr: denkende, intelligente Lebewesen trotz ihrer Behinderung.
Es gab
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