Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
Gesicht, das nicht hager, aber vom Leben gezeichnet war. Tiefe Linien hatten sich um seinen Mund gegraben, der Entschlossenheit verriet. Er hatte braune, von dunklen Wimpern umrahmte Augen, und in seinem Blick lag Wachsamkeit. Und dennoch glaubte Amy, noch etwas von dem jungen Burschen zu erkennen, den sie von früher kannte. Langsam setzte bei ihr die Erkenntnis ein, dass der Mann die Wahrheit sprach. »Natürlich, aber warum habe ich Sie nicht gleich erkannt? Aber Sie ... haben sich verändert.« Er war so ein verzogener Junge gewesen, und nun war er zu einem Mann herangewachsen, bei dessen Anblick die Frauen in Ohnmacht fielen und die Männer einen Schritt zurücktraten.
»Sieben Jahre im Verlies hinterlassen Spuren.« Er musterte sie, während sie die Tragweite der Worte erst langsam begriff. »Königin Claudia möchte, dass Sie zurückkehren.«
Königin Claudia ... Großmutter. »Geht es ihr gut?«, fragte Amy aufgeregt.
»Sogar sehr gut. Jedenfalls, als ich sie das letzte Mal sah. Ich glaube, sie ist unverwüstlich.«
»Ich hatte nichts anderes erwartet. Und es gehofft. Und ... haben Sie meine Schwestern gesehen?«
Ein Lächeln spielte um seinen Mund. »Prinzessin Clarice hat mich verhöhnt, als ich um ihre Hand anhielt.«
»Sie ist heute verheiratet.«
»Sie war es nicht, als sie mich ab wies.« Sein Lächeln wirkte wehmütig. »Aber sie erteilte mir einen Auftrag, der zum Scheitern verurteilt war ... ich sollte Sie finden!«
Amy ließ die Wahrheit auf sich wirken. Clarice hatte ihr die Chance gegeben, die Amy sich immer gewünscht hatte. Die kleine Schwester hatte ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen sollen. Hatte sie nicht das Beste daraus gemacht?
Die Welt um sie herum geriet ins Schwanken. Unsicher fasste sie sich an die Stirn.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte er besorgt.
»Ja, ich bin nur furchtbar müde.«
»Ist es nur das?« Er sah sie so eigentümlich an. »Fühlen Sie sich unwohl?«
»Mir geht es gut!« Nur weil er sie schon kannte, als sie noch ein kleines Mädchen war, hatte er nicht das Recht, sie mit Fragen zu bedrängen und sich in ihr Leben einzumischen. »Haben Sie Sorcha gesehen?«, lenkte sie ab.
»Nein.«
»Ich vermisse sie.« Amys Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe sie schon zehn Jahre nicht mehr gesehen, und doch vermisse ich sie wie am ersten Tag.«
»Sie ist Ihre Schwester.« Er reichte ihr sein Taschentuch.
Amy nahm es dankend an und putzte sich die Nase. Wie kam es, dass die alten Erinnerungen sie nun derart mitnahmen? Das konnte nur an Jermyn liegen, diesem Schurken. Er hatte den alten Trennungsschmerz in ihr wachgerufen und ihr unmissverständlich vor Augen geführt, wie allein sie war. Sie konnte nicht länger warten. Sie würde ihn jetzt auf der Stelle verlassen. Abrupt erhob sie sich. »Wie haben Sie mich gefunden, Rainger?«
»Als Lord Northcliff bei der Botschaft von Beaumontagne anfragen ließ, wie es um das kleine Königreich bestellt war, gelang es mir, die Botschaft... abzufangen. Dann machte ich mich auf den Weg.« Auch er war auf gestanden und streckte die Hand nach Amy aus. »Gehen Sie mit mir zurück nach Beaumontagne. Ich werde Sie zu Ihrer Großmutter bringen. Dort sind Sie in Sicherheit.«
Sie starrte auf seine Hand. Dann schaute sie auf und erschrak, als ihr schlagartig etwas bewusst wurde. »Aber ich kann hier nicht fort! Ich habe doch gelobt, ein Jahr lang bei Jermyn zu bleiben.«
»Sie sind eine Prinzessin.«
»Und als solche an einen Schwur gebunden.« Sie war im Begriff, zum Fest zurückzukehren, blieb indes stehen und wandte sich Rainger zu. »Ist es nicht so, Rainger?«
Er nickte widerwillig und sah Amy nach. Leise und zu sich selbst sagte er: »Ich bin auch an meinen Racheschwur gebunden, Prinzessin, aber ich habe den Eindruck, dass Sie meine Pläne nachhaltig durchkreuzt haben.«
Sie nahm den Weg, der zurück zum Pavillon führte, und ging wieder zu den festlich gedeckten Tischen. Als sie sich unter die Gäste mischte, spürte sie die Blicke der Leute und sah, dass die meisten dann zu Jermyn schauten, da sie wissen wollten, wie er bei der Rückkehr seiner Verlobten reagierte.
Natürlich wussten die Gäste inzwischen, dass sie und Jermyn sich gestritten hatten. Jeder hatte gesehen, dass er allein von den Klippen zurückgekommen war. Folglich glaubten die meisten, die Verlobung wäre aufgehoben.
Sie warf einen Blick auf Harrison Edmondson und erschauerte, als sie seine schadenfrohe, hämische Miene sah.
Gewiss. Jetzt konnte
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