Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
lächerlich.« Mit dem verächtlichen Ton, den er anschlug, zeigt er, dass er sie am liebsten noch ganz anders beleidigt hätte.
»Die Müßiggänger, die Hungrigen und die Verzweifelten müssen mit diesem lächerlichen Leben fertig werden. Und jetzt habe ich Sie am Hals!« Sie schaute sich um. »Ich kann noch nicht nach oben gehen. Sie sind ein lausiger Schachspieler.«
Getroffen erwiderte er: »Eigentlich gehöre ich zu den besten Spielern in London.« Zumindest wenn ich nicht gegen eine Frau spiele. Eine Frau, die mein Blut in Wallung bringt und Verlangen in mir weckt.
»Dann ist London eine Stadt voller Narren.« Ihr Blick fiel auf Miss Victorines Handarbeit. »Perlstickerei wäre eine gute Beschäftigung für Sie.«
»Wäre ... es ... nicht«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Doch da hatte sie bereits das kleine Stück Handarbeit aufgehoben und hielt es ihm hin. »Kommen Sie, Mylord. Stellen Sie sich vor, wie sehr es Sie zufrieden stellen wird, wenn Sie mir zeigen können, dass ich mich in Ihnen geirrt habe.«
»Ich bin keine Frau.« Aber sie war eine. Er mochte es, dass sie ihr Schultertuch züchtig über das Dekolletee drapierte, als könne sie sich nicht nur vor seinen Blicken, sondern auch vor seinem Verlangen schützen. Diese Maßnahme war nutzlos und zeigte ihm, dass sie wenig Erfahrung mit Männern hatte - oder vielleicht zeugte gerade das von Erfahrung.
»Nein, Sie sind einer dieser gelangweilten Müßiggänger.«
Da lag sie verdammt richtig. Er wusste, dass sie ihn nur köderte. Er ahnte, dass er ihren Sticheleien nicht erliegen sollte. Und doch war er ein gelangweilter Müßiggänger. Und ein sinnlicher, verzweifelter dazu. »Also gut.« Sein Entschluss war schnell gefasst. »Zeigen Sie es mir.«
Amy sah erschrocken aus, doch dann schlich sich der alte Argwohn wieder in ihren Blick.
»Worauf warten Sie?« Mit Unschuldsmiene hob er die Brauen. »Sie haben mich überzeugt.«
»Wie umgänglich Sie sich mit einem Mal geben.«
»Einige Leute bezeichnen mich als charmanten Burschen.«
»Debütantinnen vielleicht.« Sie verlieh dem Wort eine verächtliche Note. »Habe ich recht?«
»Ja.«
»Denen dürfen Sie nicht glauben«, riet sie ihm. »Die wollen Ihnen nur schmeicheln. Die jungen Damen sind nur hinter dem Ring her, den sie sich von Ihnen erhoffen.«
Das war genau das, was auch er dachte, aber Amy meinte noch etwas anderes. Sie sprach wieder mit diesem verächtlichen Unterton und wollte ihn unmissverständlich wissen lassen, dass die Vorstellung für sie fremd war, in ihm einen charmanten Burschen zu sehen.
Und mit einem Mal kam ihm dieser unbehagliche Gedanke, dass er vielleicht nie charmant gewesen war. Sein Vater war gewiss kein bezaubernder Zeitgenosse gewesen.
Aber womöglich war das besser, als so zu sein wie seine Mutter: bezaubernd, aber inkonsequent und unstet.
Sein Mund wurde zu einem harten Strich. »Wie dem auch sei. Gehen Sie ruhig nach oben. Sie brauchen mir hier unten keine Unterhaltung zu bieten.«
»Schön.« Sie schob die Handarbeit in ihre Tasche. »Ich bin mir sicher, dass Sie sich ohnehin nicht lange genug konzentrieren könnten, um das hier zu lernen.«
Er ging die zwei Schritte zurück zu seiner Pritsche. Die verfluchte Kette rasselte. Er warf sich auf die dünne Matratze. »Ja, weil ich so ein unaufmerksamer, verantwortungsloser und lächerlicher Bursche bin.«
Sie zögerte, hatte seine Stimmung aber bestimmt nicht richtig deuten können.
»Nehmen Sie die Kerze mit.« Er entließ sie mit einer nachlässigen Handbewegung.
Rasch machte sie auf dem Absatz kehrt, langte nach dem Talglicht und ließ ihn in der Dunkelheit des Kellers zurück.
Am folgenden Tag stand Pom in geschäftigem Treiben auf dem sonnigen Marktplatz von Settersway und genoss den ersten wirklich schönen Frühlingstag. Anders als die Leute vom Festland mit ihren farbenfrohen Verkaufsständen, verkaufte Pom seinen Fisch direkt aus einem Korb. Jeder kannte den Fischer. Er bot jede Woche am Markttag seinen Fang feil und war vertraut mit all den Geräuschen, Gerüchen und den Leuten ... und er kannte den Pfosten beim Brunnen, an dem Papierfetzen in der Brise flatterten. Wollte ein Mann einen Esel verkaufen, heftete er einen Zettel dort an den Pfahl. Wenn die Marine einen Deserteur suchte, prangte der Steckbrief genau dort. Sarrie Proctor hatte einst sogar ihr Gesuch nach einem Ehemann an diesem Pfosten aufgehängt und tatsächlich einen tüchtigen Burschen gefunden.
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